USA 1951. Eine Zeit, bestimmt von Konformismus, Koreakrieg und Kommunistenangst. Und das Jahr, in dem Marcus Messner seinem beengten jüdischen Elternhaus in Newark aufs College entfliehen kann, auch wenn er dafür in den mittleren Westen muss. Ehrgeizig und verschlossen beginnt er in Ohio sein Studium, das ihn auch vom Kriegsdienst befreit, willens, sich von nichts und niemandem ablenken zu lassen. Jede Minute verbringt er über seinen Büchern. Bis er sich in die schöne, psychisch labile Olivia verliebt und immer wieder in hitzigen, messerscharfen Debatten um Glauben und intellektuelle Grundsätze mit dem christlich-konservativen Dekan aneinandergerät. Was ihn scghließlich in den Fokus der Obrigkeiten bringt. Empörung zeichnet ein Bild von dem enormen gesellschaftlichen Druck, der auf jungen Leuten lastet, denen kurz vor der sexuellen Revolution und dem Entstehen von Jugendkultur noch jegliches Ventil fehlt, um sich Luft zu verschaffen. Die Schauspieler Lerman und Gadon überzeugen vollends; sie scheinen seit jeher in diese Welt aus gedämpftem Temperament und gedeckten Farben zu gehören. Feinsinnig, elegant und mit größter Liebe zum Detail erweckt Drehbuchautor, Regisseur und Produzent James Schamus Phillip Roths späten Roman, in dem er seine eigene Jugend reflektiert, zu neuem Leben. Feline Mansch

USA/CH 2016. R: JAMES SCHAMUS. D: LOGAN LERMAN, SARAH GADON, LÄNGE 110 MINUTEN, KINOSTART: 16. FEBRUAR 2017


Elle

Wie hält sie das nur aus? Obwohl vergewaltigt und geschändet, bricht Michèle nicht zusammen, weint nicht, erstattet noch nicht einmal Anzeige, geht kurzerhand zur Tagesordnung über. Fast beiläufig erzählt Elle Freunden von der schrecklichen Tat. Soll damit etwa unterstellt werden, es sei gar nicht so schlimm gewesen und Elle habe in dieser schrecklichen Situation womöglich auch noch Lust empfunden? Für eine solche Altherrenphantasie wäre die großartige Isabelle Huppert allerdings die völlig falsche Besetzung. Dass sie hart im Leben steht und zudem familiäre Belastungen schultert, zeigt sie als Geschäftsführerin einer Videospielfirma und als Tochter eines Mehrfachmörders. Isabelle Huppert erscheint mithin als eine furchtlose Amazone, die - ausgestattet mit Pfefferspray und einer Axt - sich anschickt, sich selbst zu verteidigen. So wie sie dabei gezielt die Nähe des Täters sucht und weitere Übergriffe provoziert, geht es jedoch um mehr als Schutz und Rache einer verletzten Frau. Das ist bisweilen nur schwer auszuhalten, andererseits aber auch ungemein spannend. Kirsten Liese

FRANKREICH 2016. R.: PAUL VERHOEVEN. D.: ISABELLE HUPPERT, LAURENT LAFFITTE, ANNE CONSIGNY, CHARLES BERLING, U.A., LÄNGE 130 MINUTEN, KINOSTART: 16. FEBRUAR 2017


Neruda

Als Dichter wurde er berühmt, als Kommunist musste er untertauchen. Darüber hinaus aber war Pablo Neruda offenbar ein ausgebuffter Rebell. So sieht jedenfalls Pablo Larraín den chilenischen Literaturnobelpreisträger in seinem lakonischen, also schlichten, aber treffenden Krimi, der damit beginnt, dass sich Pablo Neruda 1948 mit seiner Frau Delia del Carril in den Untergrund begeben muss, wiewohl er zum Senator gewählt wurde. Aber so wie sich der Antifaschist Neruda, der im chilenischen Parlament nie mit seiner Meinung zurückhält und die Regierung von Präsident Videla des Verrats bezichtigt, bei seinen Landsleuten großer Beliebtheit erfreut, die ihm gerne Unterschlupf gewähren und sich weigern, ihn zu denunzieren, zeigt er auch starke Nerven. Er entdeckt sogar seinen Spaß daran, Inspektor Peluchonneau, der ihn im Auftrag des Präsidenten Gonzales Videla verfolgen und beim Volk in Misskredit bringen soll, zu foppen. Und damit kommt ein illustres Katz-und-Maus-Spiel in Gang, über das der unterlegene melancholische Staatsdiener, gespielt von Luis Gnecco, zu einer grotesken, tragischen Figur avanciert. Ein geheimnisvoll-diffuses Licht, Anflüge ins Surreale und ein bildgewaltiger Showdown in den schneebedeckten Weiten der Anden sorgen bei alledem dafür, dass die auch Filmkunst nicht zu kurz kommt. Kirsten Liese

FRANKREICH, SPANIEN, ARGENTINIEN, CHILE 2016. R. PABLO LARRAÍN. D: LUIS GNECCO, GAEL GARCIA BERNAL, ALFREDO CASTRO U.A., LÄNGE: 107 MINUTEN, KINOSTART: 23. FEBRUAR 2017