Einige zertifizierte Touristikunternehmen finanzieren die Schulausbildung der Kinder ihrer Beschäftigten, die meist in Townships leben

von Edith Kresta

Im Backpack in Kapstadt gibt es Spaghetti mit Tomatensoße. "Hot, hot", warnt das australische Traveller-Pärchen, das seit einer Woche hier lebt und die Gemeinschaftsküche des Backpacks ausgiebig nutzt. Sie bieten meiner Freundin Petra und mir einen Teller an. Auch die italienischen Schwestern Sophia und Claudia gesellen sich dazu. Die Spaghetti finden trotz reichlich Chili ihr Wohlwollen. Sie seien hier aufgewachsenen, sagt Claudia in bestem Englisch, und besuchten ihr ehemaliges Kindermädchen. Das Backpack sei ein sicherer, zentraler Ort für Alleinreisende. Dass es Fair-Trade-zertifiziert ist, wusste sie nicht, aber "umso besser".

Anständige Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung

Vom englischen Guardian wurde das Backpack zu einem "der coolsten Backpackerhotels der Welt" gewählt. Im Shop an der Rezeption werden Taschen aus Autoreifen, bunt bemalte Tabletts aus recycelten Blechdosen und selbst gebastelte Perlenbänder aus den Townships verkauft. An der Bar im Innenhof steht ein großer Billardtisch, an kleinen Tischen sitzt die internationale Weltgemeinschaft in ihre Laptops vergraben, gecoverte Bob-Dylan- und Cat-Stevens-Songs geben den Sound dazu.

Fair Trade, sagt Eleni Good, müsste eigentlich überall selbstverständlich sein: anständige Arbeitsbedingungen, faire Löhne, Mitbestimmung und nachhaltiges Wirtschaften. Ist es aber nicht. Fair Trade in Tourism South Africa (FTTSA) ist die erste Initiative, die Unterkünfte, Ausflüge und Safaris in Südafrika seit 2003 nach den international anerkannten Kriterien des fairen Handels zertifiziert: Anteil am Gewinn, Mitsprache, Respekt, Verlässlichkeit, Transparenz, Nachhaltigkeit, Kundenzufriedenheit. Heute sind 125 Betriebe von Fair Trade Tourism zertifiziert, oder von einer Partnerorganisation, mit der Fair Trade Tourism eine gegenseitige Anerkennungsvereinbarung unterzeichnet hat.

In der Schweiz, in Deutschland, England und Holland sind erste Reisen nach Süd- und Ostafrika erhältlich, die einen Mindestanteil von 50 Prozent zertifizierten Angeboten enthalten und bei denen überprüft wurde, dass die Verträge für alle Beteiligten einen fairen Anteil am Gewinn vorsehen. Zu den Kriterien des fairen Handels gehören in jedem Fall Arbeitsverträge, Krankenversicherung, angemessene, existenzsichernde Bezahlung und Förderung innerhalb des Betriebes. Auch sieben Nachbarländer Südafrikas machen inzwischen beim Programm zur Fair Trade-Zertifizierung von Unterkünften und Freizeitaktivitäten mit: Madagaskar und Mosambik sowie Botswana, Kenia, Namibia, die Seychellen und Tansania.

Bus mit Umweltauflagen

Fair-Trade-zertifiziert ist auch der südafrikanische Veranstalter Kim Geffen. Mit ihm fahren wir zu Fair-Trade-Unterkünften entlang der Gartenroute. Eine Tour zu spektakulären Stränden, Wäldern und Dünen am Indischen Ozean im Süden Südafrikas.

Kim weiß um die Schwierigkeiten des fairen Handels. "Sogar unser Bus muss bestimmte Umweltauflagen erfüllen", sagt er. "Wir mussten extra einen neuen kaufen." Es sei abschreckend aufwendig, bürokratisch und teuer, sich zertifizieren zu lassen. "Kleinere und mittlere Unternehmen können oder wollen sich den Aufwand nicht leisten, auch wenn die Kosten durch Luxusanbieter querfinanziert werden", sagt Kim. Ohnehin kämpften viele schon mit der staatlichen Auflage, dass 70 Prozent ihrer Beschäftigten farbig oder schwarz sein müssten. Dennoch sei die Zertifizierung ein wichtiger Lernprozess für nachhaltiges Management.

Das ehemalige Weingut Jan Harmsgat bei den Langeberg-Bergen in der Nähe der Stadt Swellendam ist unser erstes Ziel. Die Dörfer der ländlichen Region am Westkap sind beliebte Refugien für Stadtflüchtlinge. Vorbei an herrlichen Buchten und tristen Townships, durch eine archaische Landschaft mit hochgewachsenen Aloepflanzen fahren wir zum Gut. Jim Toto, der schwarze Gärtner, führt uns dort auf geräumige Zimmer in klassischer Gutsherrenart.

Eigentlich pflanzt Jim Kräuter, Gemüse und Salat für die Küche der Lodge. Immer unter Aufsicht der resoluten blonden Managerin Gerda Delange. "Wir finanzieren die Schulausbildung der Kinder unserer Angestellten. Wir sind ein große Familie," sagt sie. Wie hoch die existenzsichernde Bezahlung des Gärtners ist, will uns niemand wirklich sagen. Sicher ist, er hat ein festes Haus für seine Familie in der Umgebung, seine drei Kinder gehen in die Schule, und er arbeitet seit 15 Jahren dort.

Nach der Apartheid

Die Route 62 führt von Swellendam durch die ausgetrockneten Täler der Halbwüstenlandschaft Karoo nach Plettenberg Bay. Das Kleinunternehmen Ocean Blue organisiert in der Bucht von Plettenberg Wal- und Delfin-Beobachtungstouren. "Das Experiment, die Kriterien des fairen Handels auf die Reiseindustrie zu übertragen, ist einzigartig", sagt Natascha Lillford, die Managerin, die mit ihrem schwarzen Haar und der weißen Haut wie ein Schneewittchen aussieht. "Die Arbeitslosigkeit in der Township Qolweni oben am Berg liegt bei 40 Prozent. Die Armen sind die Schwarzen", sagt sie. Ocean Blue finanziert die Grundschule mit neun Lehrern für 250 Kinder in Qolweni. "Nach der Ungerechtigkeit der Apartheid wollen wir helfen, was Neues, Gerechteres aufzubauen", sagt Lillford.

Hazel Mbanguta führt uns durch die Township Qolweni. Beste Lage mit Blick auf die Bucht von Plettenberg Bay. Die Bewohner der Township weigern sich, neue Häuser jenseits des Hügels zu beziehen. Sie wollen, dass hier am Hang gebaut wird, wo sonst schon bald die Villen der Reichen mit Blick auf die Bucht stünden. Der nächste Kampf wird wohl um gute Lagen geführt.

"Wir werden hier bleiben. Sie sollen hier bauen", sagt Hazel, die mit ihren zwei kleinen Mädchen in Qolweni wohnt. Sie zeigt uns die Schule, die Bar, die einzige Wasch- und Wasserstelle und den kleinen Township-Laden. Zum Abschied singt sie mit tiefer, kräftiger Stimme ein Xlosa-Lied. Eigentlich möchte die 25-jährige, alleinerziehende Mutter Sängerin werden. Wir schlagen ihr ein Video auf YouTube vor.

Die meisten Häuser, die das Fair-Trade-Siegel tragen, sind Hotels der oberen Kategorie. Denn diese sind eher zu Investitionen bereit, um die hohen Auflagen der Organisation zu erfüllen. In der im Wald gelegenen zertifizierten Lodge Hog Hollow bei Plettenberg Bay, zu der Kim uns bringt, schaut schon mal ein Pavian vorbei. Zu unserem stilvollen Holzhaus mit Terrasse führt uns Lundi. Der Schwarze ist Rezeptionist, Kellner, manchmal Geschäftsführer. Seit 15 Jahren. "Wir, das Personal, entscheiden sehr viel selber. Dadurch macht die Arbeit mehr Spaß", sagt er.

"Die Gewerkschaft", sagt unser Begleiter Kim, "sieht die Fair-Trade-Initiative durchaus kritisch". Sie kämpfe für gesellschaftlich allgemeingültige Standards. Die freiwillige Selbstverpflichtung einiger Unternehmen unter dem Label Fair Trade sei ihr suspekt, auch wenn sie explizit die Benachteiligten stärke.

Die Wiederansiedlung der Big Five

An den Besitzverhältnissen in Südafrika hat das Fair-Trade-Siegel nicht viel verändert, die Dominanz der ehemaligen Kolonialherren in der Wirtschaft ist ungebrochen. "Aber Fair Travel ist ein erster Schritt zu mehr Gerechtigkeit", findet Kim. "Wir sind das einzige Land der Welt, in dem erste und dritte Welt nebeneinander existieren, was eine Folge der Homeland-Politik während der Apartheid ist. Man verbannte damals die schwarze Bevölkerung in die unattraktiven Homelands und zwang sie, als Wanderarbeiter in ihr eigenes Land zu kommen, also in die ökonomische Sklaverei."

Ein Nutznießer dieser Politik war einst auch die Familie Fowlds, die unweit der Hafenstadt Port Elisabeth ein luxuriöses Anwesen aus viktorianischer Zeit besitzt. Die 1872 gebaute Villa war früher eine Farm - und ist die letzte Station unserer Reise. Von den Decken baumeln schwere Lüster und an den Wänden dicken Vorhänge.

"Als sich meine Leute gewerkschaftlich organisieren wollten, habe ich ihnen gesagt, das können sie, aber dann brauchen sie auch nicht wiederzukommen", erzählt der knorrige William Fowlds nach dem dritten Whisky. Warum haben er und seine Mitstreiter von der Amakhala Lodge sich dann Fair-Trade-zertifizieren lassen? "Ich habe die Leute immer gleich behandelt. Die Zertifizierung hat hier nichts geändert. Und die Leute arbeiten seit Generationen bei uns", sagt er. Onkel Bill, wie er von allen genannt wird, ist ein zupackendes Alphatier, ein südafrikanischer Clint Eastwood, ein Haudegen.

Als in den Neunzigern die Preise für Wolle, Fleisch und Milch sanken, überzeugte er vier seiner Nachbarn davon, ihre Ländereien zusammenzulegen und aus Ackerland ein Naturreservat zu machen. Selbstverständlich mit den Big Five. Seither streifen Löwen, Leoparden, Büffel, Nashörner und Elefanten durch das ehemals kultivierte Land 50 Kilometer von Port Elizabeth entfernt. Die Farmarbeiter wurden umgeschult zu Wildhütern und Hotelangestellten. Das Großwildreservat Amakhala mit den unterschiedlichen Lodges in Familienhand ist ökologisch herausragend. Der Tourismus hat den ehemaligen Farmern das ökonomische Überleben gesichert, auch ihren Beschäftigten.

"Wir, das Personal, entscheiden sehr viel selber. Dadurch macht die Arbeit mehr Spaß"

Lundi von der Lodge Hog Hollow