Allein im Dienst - bundesweit fehlen in den Bäderbetrieben über 2.500 Fachkräfte

Flirten, stänkern, planschen - im Song der Ärzte über Bademeister "Paul" in den 80ern klang der Job am Beckenrand nach einer Menge Spaß. Viele Klischees über den Beruf der Bade- oder Schwimmmeister, wie sie im Volksmund heißen, halten sich bis heute. Dabei haben Fachangestellte für Bäderbetriebe, so die korrekte Bezeichnung, vielfältige Aufgaben und tragen eine große Verantwortung. Sie sind für die Sicherheit im Schwimmbad zuständig und verantwortlich dafür, dass den Badegästen nichts passiert. Im Notfall retten sie Personen aus Gefahrensituationen und leisten Erste Hilfe. Daneben halten sie alle Gebäude, Becken, technischen Anlagen und Geräte in einwandfreiem Zustand. Das Reinigen von Pumpen und Filteranlagen gehört genauso zu ihrem Job wie tägliche Wasseranalysen und die Wasseraufbereitung.

"Man hat so viel Abwechslung in dem Beruf, es wird nie langweilig, weil man eben nicht nur am Becken steht", sagt Petra Gemmer, Badleiterin des Sonnenbads Rommerskirchen - ein kleines Hallenbad bei Köln. Seit 30 Jahren arbeitet die Meisterin für Bäderbetriebe in dem Beruf.

Zu Badeaufsicht und Technikbetreuung kommen Schwimm- und Fitnesskurse. Babyschwimmen, Erwachsenenschwimmkurse, Aqua-Fit - die Palette ist breit und wächst. Mittlerweile bieten Bäderbetriebe immer öfter auch Veranstaltungen und Events an, die von den Fachangestellten geplant und organisiert werden. "Der Beruf hat sich verändert, heute ist er viel mehr auf Management, Marketing und Animation ausgerichtet, um Gäste ins Bad zu bekommen", sagt Gemmers. Im Sonnenbad gibt es neben dem normalen Schwimmbetrieb Kindergeburtstage, Senioren-Frühstücke, Familiendiskos und Grillabende. Petra Gemmer gefällt das.

Auch Julien Stark schwärmt für seinen Beruf. Der 25-Jährige macht eine Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe in Berlin, aktuell im 2. Ausbildungsjahr. "Wir sind Mädchen für alles - von Badeaufsicht, Kasse, Abrechnung, Technik, Reinigung bis zu Seelsorger für die Stammgäste. Das ist wirklich schön", sagt er. Julien hat schon eine Kochlehre gemacht. Rauer Ton, schlechte Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung, das war es. Bei den Bäderbetrieben gebe es viel weniger Druck und ein gutes Miteinander. "Und es ist ein sicherer Job im Öffentlichen Dienst. Das ist auch ein Pluspunkt."

Immer mehr Nichtschwimmer

Aber es ist eben auch ein Beruf mit hoher Verantwortung. Lebensrettungen sind zum Glück selten. Meist sind kleinere Unfälle und Hautabschürfungen zu versorgen. "Pflaster und tröstende Worte verteilen", sagt Petra Gemmer.

Aber die Zahl von Rettungen nimmt zu - so wie die Zahl der Nichtschwimmer. 59 Prozent der 10-Jährigen seien keine sicheren Schwimmer, vermeldete mit Beginn der Freibadsaison die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Ein Grund laut DLRG: Es seien zu viele Schwimmbäder in Deutschland geschlossen worden - 371 Bäder waren es zwischen 2007 und 2015, weitere 670 Bäder seien akut von der Schließung bedroht. Im gleichen Zeitraum seien aber nur 21 Bäder neu gebaut und 90 saniert wurden. Die Folge: Die Zahl der schwimmfähigen Grundschulabgänger geht stetig zurück. Doch nicht nur durch Bäderschließungen fällt Schwimmunterricht aus. Es werden auch weniger Kurse in den geöffneten Bädern angeboten. "Oft ist dafür einfach nicht genügend Personal da", sagt Armin Koenen, der beim Sport- und Bäderamt Bonn arbeitet.

Und nicht nur unter den Kindern steige die Zahl der Nichtschwimmer, auch bei den Erwachsenen. "Die Flüchtlingswelle hat auch uns getroffen", sagt Petra Gemmer. Gerade am Anfang seien immer wieder Flüchtlinge einfach ins Wasser gesprungen, ohne schwimmen zu können. "Überall wurden verstärkt Rettungseinsätze nötig." Zum Glück sei das wieder etwas zurückgegangen. Gemmer versucht in ihrem Bad, mehr Schwimmhilfen zur Verfügung zu stellen. Doch eigentlich müsse man mehr Schwimmunterricht anbieten, sagt sie. Aber der Personalmangel ließe das eben kaum zu.

Immer weniger Personal

Bundesweit fehlen über 2.500 Fachkräfte. Die angespannte Personalsituation führt immer öfter dazu, dass Bäder ihre Öffnungszeiten verkürzen. Wird eine Fachkraft für Bäderbetriebe krank, bricht oft der ganze Betrieb zusammen, weil kein Ersatz gefunden werden kann. Aber ohne Badeaufsicht kann nicht geöffnet werden.

Auch bei den Berliner Bäderbetrieben (BBB) gibt es massive Personalprobleme. Allein im März fielen 729 Stunden Öffnungszeiten aus - die Hälfte personalbedingt. Ein externes Gutachten, das die BBB in Auftrag gegeben haben, ergab, dass aktuell über 200 Fachkräfte fehlen, um alle Bäder mit einigermaßen geregelten Öffnungszeiten betreiben zu können. "Entweder bekommen die BBB sofort mehr Personal, oder die Öffnungszeiten müssen weiter eingeschränkt werden, um Sicherheit und Hygiene zu gewährleisten", so Dieter Korte, zuständiger Gewerkschaftssekretär bei ver.di.

Bundesweit sieht es ähnlich aus. Das sei die Folge falscher Personalpolitik, sagt Armin Koenen, der auch Mitglied im ver.di-Bundesfacharbeitskreis Bäder ist. "Man hat jahrelang Personal abgebaut, Stellen wurden nicht besetzt, es wurde nicht mehr ausgebildet." Jetzt gebe es einen Generationenwechsel wie überall. "Die Leute gehen in Rente, aber es sind keine Nachfolger da." Selbst dort nicht, wo neues Personal eingestellt werden soll.

Gefahrenschwerpunkt Sprungturm - ohne Aufsicht bleibt er geschlossen

Die Kollegen in den Bädern müssen das ausbaden. "Überstunden ohne Ende - und man kann sie nicht abbummeln, wenn Personal fehlt", sagt ein Berliner Bademeister, der anonym bleiben möchte. "Dienstpläne werden ständig geändert - von Woche zu Woche ein neuer Plan. Die Leute sollen springen, werden sogar in ihrer Freizeit angerufen. Die Kollegen sind überbelastet, erschöpft. Das ist eine Katastrophe, das ist gefährlich, wir haben ja auf Menschen zu achten."

Gefährlich in vielerlei Hinsicht. "Personalmangel in den Bädern hat dazu geführt, dass Reinigungsintervalle, Hygienevorschriften, Wartungsintervalle und die Legionellen-Prophylaxe in den Einrichtungen der Berliner Bäderbetriebe nicht immer eingehalten werden konnten und können. Die Meß- und Regelstrecken der Wasseraufbereitung werden nicht mehr bedarfsgerecht kalibriert", warnt ver.di. "Gerade die heißen Wochenenden mit starkem Besucheransturm, stellen das Personal vor fast unlösbare Aufgaben."

Immer mehr Aggressionen

Sind die Schwimmbäder überhaupt geöffnet, müssen die Gäste oft stundenlang an der Kasse anstehen, weil nur eine von vieren geöffnet ist. Dann werden mitten im Badespaß Turm und Rutsche dichtgemacht. Ärgerlich für die Badegäste. Aber solche Gefahrenschwerpunkte müssen rund um die Uhr bewacht werden. Und am Ende werden die Besucher schon um 18 statt um 20 Uhr hinausgebeten, weil auch Personal in der Spätschicht fehlt und eine sichere Badeaufsicht nicht mehr gewährleistet werden kann. "Die schlechte Laune lassen die Badegäste dann an dem Personal aus", so der Berliner Bademeister.

Bundesweit berichten Fachangestellte für Bäderbetriebe über fehlenden Respekt, Beleidigungen, Androhungen, Pöbeleien. "Das ist ein gesellschaftliches Problem, das zieht sich durch alle Bereiche", so Armin Koenen. "Früher war der Bademeister eine Autorität, eine Respektsperson. Man hat auf ihn gehört. Das ist längst nicht mehr so." Die psychische Belastung für die Beschäftigten sei enorm, sagt Koenen, der selbst 32 Jahre im Bäderbetrieb war. "Ein paar solche Situationen am Tag, dann ist man fertig." Besonders in den Sommerbädern der Großstädte, die von vielen Jugendlichen frequentiert werden, ist das Aggressionspotential hoch. Viele Freibäder werden extra mit Security bewacht. Vor manchen wie dem Sommerbad Berlin-Neukölln steht regelmäßig ein Einsatzwagen der Polizei. "Die Betriebe müssen dringend mehr Weiterbildungen und Schulungen in Deeskalation für die Beschäftigten anbieten, ihnen Rüstzeug an die Hand geben, damit sie gegen diese Belastungen gewappnet sind", mahnt Koenen.

"Die Respektlosigkeit uns gegenüber ist extrem", sagt auch Julien Stark. Der Auszubildende ist momentan im Sommerbad Humboldthain eingesetzt - ein Freibad in Berlin-Wedding. "Gerade die Jugendlichen, die checken nicht, dass wir es, wenn wir meckern, gut meinen. Wir sind die Spielverderber, aber wir wollen doch nur, dass sie gesund und heil nach Hause kommen." In Juliens Ausbildung sind Schulungen in Deeskalation zum Glück schon fester Bestandteil. Er lernt situationsabhängige Herangehensweisen, um Aggressionen und Streit zu entschärfen. "Das funktioniert auch meistens", sagt Julien.

Immer weniger Nachwuchs

Viele Gemeinden wollen momentan wieder Personal einstellen. Aber Fachkräfte für Bäderbetriebe und Rettungsschwimmer sind Mangelware. Genauso wie Auszubildende. Schichtarbeit, Spätdienste, häufige Einsätze an Feiertagen und Wochenenden, viele Überstunden - das schreckt viele ab. Julien hat eine Woche Frühschicht, eine Woche Spätschicht - immer im Wechsel. Das bedeutet in der Regel 6 Uhr morgens Dienstbeginn, 14 Uhr Feierabend oder 14 Uhr Dienstbeginn und 22 Uhr Feierabend. "Ich finde das gut, ich kann auch mal in der Woche ausschlafen, kann vormittags Sachen erledigen: Ämter, Ärzte, einkaufen." Auch Wochenenddienst ist für Julien okay. "Die Wochenenden werden besser bezahlt, auch die Spätdienste. Außerdem kann man auch mal tauschen, wenn man was vorhat."

Wer die Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe machen möchte, sollte aber nicht nur zur Schichtarbeit bereit sein, sondern auch körperlich fit. Und vor allem schwimmen können. Es sei erstaunlich, wie viele Bewerber nicht mal richtig schwimmen können, sagt Petra Gemmer. Ein Kopfsprung vom Dreimeterturm, schwimmen gegen die Uhr und Streckentauchen sind Mindestvoraussetzungen für den Beruf.

Auch Kindergeschrei, Wasserrauschen, dazu oft Musik in den Hallen muss ein Bademeister stundenlang aushalten können, sagt Gemmer. "Man muss sich ja konzentrieren, aufmerksam bleiben. So viele Geräusche, und trotzdem muss man im Notfall das Obergeräusch - einen Hilfeschrei - heraushören." Zum permanenten Lärm kommen Temperaturen um die 28 bis 30 Grad in Hallenbädern, in Warmbädern sogar bis zu 34 Grad, und eine hohe Luftfeuchtigkeit - eine Belastung für Körper und Kreislauf. Auch das Chlor beziehungsweise die Chlornebenprodukte, die entstehen, wenn sich Chlor mit organischen Stoffen wie Schweiß, Urin oder kleinen Härchen verbindet und in der Luft anreichert, stehen als Gesundheitsrisiko in Verdacht - vor allem für Atemwegserkrankungen.

In den Freibädern ist das Badepersonal zwar an der frischen Luft, aber der UV-Strahlung ausgesetzt. Das Risiko an chronischen Hautschäden und Hautkrebs zu erkranken ist hoch, aber mittlerweile erkannt. "Ein viel größeres Problem beim Thema Gesundheit ist die psychische Belastung", so Armin Koenen. Stress und Überforderung - durch die Badegäste, aber vor allem durch den Personalmangel. Im Bundesfacharbeitskreis steht deshalb eine "Ausbildungsoffensive" ganz oben an. "Wir müssen den Beruf mit seinen vielen Facetten bekannt machen", so Koenen. Denn eigentlich sei es ein sehr schöner Beruf - wenn genug Personal da ist.