Ausgabe 05/2017
Die Republik der Glücklichen
Maria Kniesburges ist Chefredakteurin der ver.di publk
Das Wahlprogramm der CDU / CSU zur Bundestagswahl 2017 trägt den Titel: "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben." Und gleich auf Seite zwei folgt in fetten Lettern das nächste Versprechen: "Gute Arbeit auch für morgen - Vollbeschäftigung für Deutschland". Das wollen die Unionsparteien bis zum Jahr 2025 erreichen, Arbeit für alle, Vollbeschäftigung. Schon jetzt, so ist man voll des Eigenlobs, gebe es "in Deutschland mehr Beschäftigung als je zuvor" - und damit nicht genug: "Der großen Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger ging es noch nie so gut wie heute", ist da zu lesen. Alles gut? Mitnichten.
Die Zahl der Erwerbstätigen in dieser Republik der Glücklichen, die trotz Arbeit von Armut bedroht sind, hat sich von 2004 bis 2014 verdoppelt. Sie ist von 1,9 Millionen auf 4,1 Millionen armutsgefährdete Beschäftigte gestiegen. Das hat gerade erst eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Als armutsgefährdet gelten all jene, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen. Mehr als 4 Millionen Menschen im Land, die ihrer Arbeit nachgehen und dennoch knapp an oder schon unter der Armutsschwelle leben. Sieht so ein Deutschland aus, in dem "wir gut und gerne leben"? Der in diesen Tagen viel bejubelte Beschäftigungszuwachs ist bei näherer Betrachtung zu einem Großteil ein Zuwachs prekärer Beschäftigung. Arbeit im Niedriglohnsektor, in unfreiwilliger Teilzeit oder auch in Minijobs mit kleinem Geld und unbezahlten Überstunden.
Und so wollte auch ein Bürger, der das Unionsversprechen der Vollbeschäftigung vernommen hatte, von CDU-Generalsekretär Peter Tauber via Twitter wissen: "Heißt das jetzt drei Minijobs für mich?" Und Tauber twitterte prompt zurück: "Wenn sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs." Weiß der Mann, wovon er spricht? Wie viele gut ausgebildete Menschen im Land sich mit Minijobs oder Niedrigsthonoraren durchschlagen müssen? Seine Entschuldigung kam jedenfalls eher spröde daher: "Ich wollte niemandem zu nahe treten."