Auf dem Gendarmenmarkt kamen 500 von 10.000 Streikenden zusammen

Von Claudia von Zglinicki

Am 19. Juni steht Katrin Hempel, die bei der AXA arbeitet, auf dem Berliner Gendarmenmarkt. Sie fühlt sich gut: Mehr als 500 Kolleginnen und Kollegen von der Feuersozietät, der Allianz, der ERGO und anderer Versicherungsunternehmen sind zur ver.di-Kundgebung gekommen - und sie sind bundesweit nicht die Einzigen. Von der Bühne werden Orte und Zahlen genannt: Auch in Hamburg, Hannover, Wuppertal, Mannheim, Leipzig und anderen Städten streiken zur selben Zeit Versicherungsbeschäftigte, 10.000 sind es an diesem Tag. "Die Arbeitgeber haben uns in den Tarifverhandlungen 1,1 Prozent mehr Geld angeboten. Das wäre ein Reallohnverlust", sagt Katrin Hempel. "Und sie fordern von uns veränderte Servicezeiten, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Deshalb bin ich hier."

Kündigungen statt kreativer Lösungen

Am 2. Juni hatte die ver.di-Tarifkommission die Verhandlungen nach dem dritten Termin ergebnislos abgebrochen und für gescheitert erklärt. Die Arbeitgeber hatten zuvor alle Forderungen der Gewerkschaft nach einem Zukunftstarifvertag für die soziale Gestaltung der Veränderungen durch die Digitalisierung abgelehnt und lediglich Gehaltserhöhungen von 1,1 Prozent pro Jahr bei einer Vertragslaufzeit von drei Jahren angeboten.

"Aber unsere Forderungen nach mehr Geld, nach der Übernahme der Azubis und nach Zukunftssicherung sind nicht übertrieben", rief Christina Förster von ver.di Berlin-Brandenburg laut über den Gendarmenmarkt. "Wir wollen den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2020. Doch unsere Forderungen wurden vom Tisch gefegt!" Äußerungen der Arbeitgeber wie "Wer Gewinn will, soll doch Aktien kaufen" seien einfach nur zynisch. Leider habe sie den Eindruck, stellt Förster fest, "dass die Arbeitgeber für die Zukunft auf Kündigungen setzen statt auf kreative Lösungen". Deshalb, sagen die Streikenden, müsse man die Gegenseite zwingen, noch vor der Sommerpause an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Digitalisierung mit Augenmaß statt Profitgier - auch bei den Finanzdienstleistern", so steht es auf einem der Transparente. Die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze ist für 80 Prozent der Beschäftigten bei den Versicherungsunternehmen das A und O, wie sie in einer ver.di-Umfrage erklärt haben. Die Streikenden gehen für einen Zukunftstarifvertrag auf die Straße, aber auch das schlechte Gehaltsangebot hat die Stimmung angeheizt und Beschäftigte aktiviert. Ab dem 9. Juli wurde wieder gestreikt, zuerst in Baden-Württemberg. Weitere regionale Aktionen bis zum 13. Juli folgten.

Die Streiks wirken

"Wir machen weiter", so sei die Stimmung bei vielen Kollegen, sagt Martina Grundler, die die ver.di-Bundesfachgruppe Versicherungen leitet. Viele Beschäftigte haben ihr erklärt, dass sich immer mehr Kollegen an den Aktionen beteiligen wollen. Die bundesweiten Streiks am 19. Juni haben erstmals in der Branche spürbare Auswirkungen in den Unternehmen gezeigt. "Das hatten wir so noch nie", sagt Martina Grundler. "Der telefonische Kundenservice in den Unternehmen ist erheblich beeinträchtigt worden. Auch in anderen Bereichen kam es zu Störungen. Das wirkt." Immerhin wird es durch diesen Druck noch im Juli ein Sondierungsgespräch zwischen den Verhandlungsführungen beider Seiten geben.

Aber eine Sondierung sei noch lange keine Verhandlung, sagt Martina Grundler. Und eines sei klar: "Verhandlungsergebnisse sind immer Kompromisse. Doch einen faulen Kompromiss unterschreiben wir nicht."