Eine Flut von Klagen gegen die Bremer Tageszeitungen AG (BTAG) beschäftigt seit Wochen das örtliche Arbeitsgericht. Rund 50 Beschäftigte aus Redaktion und Druckerei wehren sich dagegen, dass der Verlag des Weser-Kuriers sie nicht mehr an bundesweiten Tariferhöhungen teilhaben lässt. Die einzelnen Verfahren dauern noch bis in den Herbst hinein, doch einige Urteile wurden schon gefällt: zu Gunsten des Unternehmens.

Heimlicher Ausstieg

Die BTAG gehörte traditionell zu den Verlagen, die als Mitglied eines Verlegerverbands nach Flächentarifverträgen bezahlen. Doch 2005 erklärte sich das Unternehmen plötzlich heimlich zum Mitglied ohne Tarifbindung, jedenfalls in Bezug auf Redaktions- und Verlagsbeschäftigte (für Drucker blieb die BTAG noch bis Mitte 2016 tarifgebunden).

Die Betroffenen erfuhren erst 2010 zufällig von dem Ausstieg, wurden aber von ihren damaligen Chefs beschwichtigt: Sie sollten sich keine Sorgen machen, denn mit Ausnahme von Neueingestellten würden sie weiterhin nach Tarif bezahlt. So jedenfalls die Darstellung der Kläger/innen - und so auch die Praxis in den Folgejahren.

Doch 2016, nach den letzten bundesweiten Gehaltserhöhungen für Redakteur/innen und Drucker/innen, sparte sich die BTAG erstmals den Aufschlag für die beiden Berufsgruppen. Mit den Arbeitsgerichtsklagen will ein Teil der Betroffenen nun doch noch eine Erhöhung der Bezüge durchsetzen.

Abgewiesene Klagen

Aber das Gericht wies bisher alle Klagen ab - bei den Druckern, weil die BTAG noch kurz vor dem Druckertarifabschluss Mitte 2016 ihren Ausstieg aus der Tarifbindung erklärt hatte. Daher hätten die Kläger keinen Anspruch mehr auf die kurz danach vereinbarte Lohnerhöhung.

Bei den Redakteur/innen argumentierte das Gericht anders: Die mutmaßliche Zusage der Unternehmensspitze von 2010, dass der Tarifausstieg von 2005 keine Auswirkungen auf bestehende Verträge habe, bedeute lediglich eine Absicherung des Status Quo zum Zeitpunkt von 2010, aber kein Versprechen, auch in Zukunft immer alle Tarifsteigerungen mitzumachen.

Eine Begründung, die bei den Betroffenen auf Unverständnis stieß. "Wir sind natürlich enttäuscht", sagt die Betriebsratsvorsitzende und Sportredakteurin Ruth Gerbracht, die selbst geklagt hat. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, wollen die Kläger/innen entscheiden, ob sie Rechtsmittel einlegen. Für Matthias von Fintel, Medien-Tarifsekretär bei ver.di, zeigt der Fall BTAG, wie wenig verlässlich Unternehmer seien, wenn sie bei Tarifausstiegen ankündigten: "Wir werden ja weiter Tariferhöhungen durchreichen." Damit sollten offenbar nur die Wogen geglättet werden. "Je nach Kassenlage werden die Zusagen dann gebrochen."

Streik für einen Haustarifvertrag?

Peter Dinkloh, der ver.di-Landesmediensekretär für Niedersachsen und Bremen, bringt jetzt einen Haustarifvertrag zwischen BTAG und Gewerkschaft ins Spiel - falls die Belegschaft das eindeutig wolle, sagt er. Am Ausstieg aus dem Flächentarif könne man einen Verlag nicht hindern, aber für den Abschluss eines Haustarifs seien sogar Arbeitskampfmaßnahmen möglich, bis hin zum Streik.

Eckhard Stengel