Wo die Maschine sortiert

"Die Zukunft hat schon längst begonnen", sagt Tiny Hobbs, ver.di-Vertrauensmann bei der Deutschen Post AG in Frankfurt. "Sie hat sich langsam in die Betriebe hineingeschlichen." Hobbs meint die Veränderungen in der Arbeitswelt, die als 4.0 bezeichnet werden. Das Stichwort lautet künstliche Intelligenz. Sich selbst steuernde Maschinen übernehmen die Arbeit des Menschen, seine Aufgaben, Planungen und Entscheidungen. Weiträumig in Wirtschaft und Verwaltung angewandt, könnte in vielen Bereichen die menschliche Arbeitskraft fast völlig ersetzt werden. Schließt zum Beispiel jemand im Bereich der Telekommunikation einen Vertrag ab, so geschieht dies bereits heute weitgehend ohne menschliche Zwischenstation. In der Landwirtschaft melken Roboter die Kühe. Selbst der Billiglohn-Spargelstecher ist ein Auslaufmodell. Wenn Silos leer sind, registriert das die Maschine und gibt die Bestellung raus. Und auch die Verwaltung von Lagern und die Auslieferung steuern schon häufig Roboter.

Wo die Post per Maschine abgeht

Bei der Post, so Hobbs, seien seit 10 bis 15 Jahren deutliche Digitalisierungsschritte mit immer weiter entwickelten Systemen zu beobachten. In den Briefzentren werden Millionen von Sendungen gesteuert. In großen Gebäuden sind Maschinen installiert, die vorne von Menschenhand "gefüttert" werden, am Ende kommen die Briefe sortiert heraus. Dann werden sie in LKWs verladen und nach dem gleichen System auf die Zustellämter verteilt. In nicht allzu ferner Zeit könnten auch die LKWs selbstständig fahren.

Vor einigen Jahren, so der Gewerkschafter, gab es noch gut bezahlte, qualifizierte Arbeitsplätze, meist von Frauen besetzt, die für die Feinkodierung in der Briefsortierung erforderlich waren. Das erfolgt nun per Maschine mit künstlicher Intelligenz. Heute braucht die Postlogistik nur noch für einen kurzen Zeitraum wenige gering qualifizierte Teilzeitkräfte. Nachts zwischen 22 und 3 Uhr, morgens zwischen 5 und 8 Uhr - als Hilfsarbeiter für die Maschinen. Allein im Frankfurter Postbereich sind seit 2010 auf diese Weise 800 Arbeitsplätze weggefallen. Und die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Die elektronische Zustellung der Post steht schon kurz bevor.

Das Argument, im Zuge der Digitalisierung würden neue Arbeitsplätze entstehen, zieht bei Tiny Hobbs nicht. Er geht davon aus, dass eine ganze Reihe von Berufsbildern völlig verschwinden wird, insgesamt in Deutschland ein Drittel der Arbeitsplätze. Zudem werde die Trennung von Arbeitskraft und Arbeitsplatz vorangetrieben. In der Verwaltung etwa könnten Personalabteilungen überflüssig werden. Gering qualifizierte Handlangerdienste könnten hochqualifizierten Spezialisten, die die Maschinen warten, gegenüberstehen.

Was können die Gewerkschaften da leisten? Bis 2020 gibt es bei der Post einen Kündigungsschutz. Aber längst wird auch schon über neue Arbeitszeitmodelle nachgedacht, über ein neues (Weiter-)Qualifizierungssystem, über eine Gewerkschafts- und Tarifpolitik, die auch gesellschaftliche Umwälzungen mitdenkt, und zwar über den nationalen Rahmen hinaus. Das Ziel: ein würdiges Arbeitsleben.