"Nicht einmal in einem Drittel der Betriebe sind Maßnahmen gegen den digitalisierungsbedingten Zuwachs der Arbeitsbelastung ergriffen worden, und nur jede zweite davon taugt etwas", kritisiert Christoph Schmitz, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes, im Vorwort zur Sonderauswertung zur Digitalisierung in der Arbeitswelt. Der Gesundheits-Campus in Frankfurt (Oder), auf dem es eine Klinik und ein ambulantes medizinisches Versorgungszentrum gibt, ist einer der Betriebe, der für die Studie untersucht wurde. Die Digitalisierung ist dort in allen Bereichen ein zunehmend wichtiges Thema. "Der Pflegebereich treibt die Digitalisierung derzeit voran, alle anderen Berufsgruppen sind davon aber auch betroffen", stellt der Betriebsratsvorsitzende Stefan Härtel fest. Eingeführt wird bei ihnen zunächst ein System zur digitalen Dokumentation und absehbar auch die digitale Patientenakte.

Pflichtaufgabe Dokumentation

"Im Moment geht es darum, die Beschäftigten für diese Aufgaben zu qualifizieren", sagt Härtel. Die Beschäftigten bringen unterschiedliche Voraussetzungen dafür mit, und nicht jede*r stehe der Digitalisierung positiv gegenüber. Bei der Dokumentation handele es sich allerdings um eine Pflichtaufgabe, so dass niemand an den entsprechenden Schulungen vorbeikomme.

1.800 Beschäftigte arbeiten auf dem zum RHÖN-Konzern im Asklepios-Verbund gehörenden Gesundheits-Campus, rund 500 davon im Pflegebereich. Aus diesem Sektor wurde ein Mitarbeiter ausgewählt, der in einer "Stabsstelle Digitalisierung" die Schulungen vorbereitet, die unter anderem als e-learning-System angelegt werden. Während die erforderlichen Geräte angeschafft wurden, sei die Funktion der Systeme wegen der teilweise unzureichenden WLAN-Abdeckung nicht immer gewährleistet, stellt der Betriebsratsvorsitzende fest. Auch wegen umständlicher Regelungen, die etwa die direkte digitale Übermittlung von Patientendaten aus dem ambulanten an den stationären Bereich verbieten, sehen Beschäftigte und Betriebsrat die Digitalisierung derzeit als Mehrbelastung an. Härtel sagt: "Ziel muss aber eine Entlastung durch den Technikeinsatz sein."

Positiv bewertet er, dass viele Bereiche der Digitalisierung mitbestimmungspflichtig seien. So gebe es bei RHÖN eine Konzernbetriebsvereinbarung (KBV), die es ausschließt, die Arbeitsleistung der Beschäftigten auszuwerten. Eine weitere KBV wurde zum Thema Mobiles Arbeiten abgeschlossen – ohne Homeoffice, was für einen Krankenhausbetrieb grundsätzlich nachvollziehbar ist. Mehraufwand bei der Digitalisierung bedeutet die 2022 vollzogene Ausgliederung von IT und anderen Sektoren in Tochtergesellschaften, nachdem Asklepios den früheren Gesundheits-Campus-Eigentümer, die Rhön-Klinikum AG, übernommen hatte.

Schlechte Netzanbindung

Anders als in der Klinik spielt das Homeoffice für die Digitalisierung bei der "Energie-Pensions-Management GmbH" (epm) eine zentrale Rolle. Das Dienstleistungsunternehmen, das für die Energieversorger e.on und Uniper die betriebliche Altersversorgung abwickelt, hat während der Corona-Pandemie seinen 73 Beschäftigten die Arbeit von zu Hause aus ermöglicht. "Allerdings war das noch mit der heißen Nadel gestrickt. Nun geht es um Nachbesserungen", sagt Kathrin Behrens, Mitglied des epm-Betriebsrates.

Größtes Problem beim Homeoffice seien Probleme mit der Microsoft-basierten Technik wie auch mit einer oft zu schlechten Netzabdeckung, da etliche Mitarbeiter*innen im ländlichen Bereich wohnen. Gut geklappt habe die Versorgung mit Laptops, Handys und Bildschirmen für die Arbeit daheim, stellt Kathrin Behrens fest. An der Ausstattung der Homeoffices mit ergonomischen Möbeln hapere es jedoch, denn dabei handelt es sich um eine freiwillige Leistung. Grundsätzlich dürfe jede*r auch in der epm-Zentrale in Hannover arbeiten, wo es allerdings nur noch Raum für 60 Prozent der Belegschaft gibt. In der Praxis reiche das Angebot, denn die Arbeit im Homeoffice werde trotz der technischen Probleme gut genutzt. "Inzwischen planen wir eine Betriebsvereinbarung zum hybriden Arbeiten", sagt die Betriebsrätin. Die Geschäftsführung habe Verhandlungsbereitschaft signalisiert.

Die Gesamtübersicht der Sonderauswertung der ver.di-Initiative Gute Arbeit ergibt kein positives Bild. 41 Prozent der mit digitaler Technik Arbeitenden sprechen von Mehrbelastung durch die Digitalisierung, nur 8 Prozent von weniger Stress. "Dabei ist der Schutz der Beschäftigten vor Mehrbelastungen doch nur die Mindestanforderung, denn eigentlich geht es um sehr viel mehr, nämlich: digitale Mittel so einzusetzen, dass damit ein Beitrag zur Humanisierung der Arbeit geleistet wird", so Christoph Schmitz im Vorwort.

Die Studie "Arbeitsbedingungen und Digitalisierung" kann heruntergeladen oder als Broschüre bestellt werden:

innovation-gute-arbeit.verdi.de/ themen/digitale-arbeit