Titel "Betrug beim Mindestlohn", ver.di publik 1_2018

Ich habe heute in meinem Briefkasten die ver.di publik vorgefunden und bin sehr erstaunt, was das Titelbild anbetrifft: Im Text steht: "Dreist! Unerhört! Betrug beim Mindestlohn" - dazu gibt es eine fröhlich feixende junge Frau auf einer Demo zu sehen - kann mir bitte jemand erklären, was sich die Redaktion dabei gedacht hat?

Sind sich die Gewerkschafter der Ernsthaftigkeit ihrer eigenen Anliegen nicht mehr bewusst? Es ist die eine Sache, mit welchen Gesichtern Demonstrantinnen unterwegs sind - eine andere Sache ist es, welche Bilder eine Redaktion zu welchen Texten auswählt, und da wundere ich mich dann doch etwas. Schaut die Chefredakteurin nicht über die Titelseite, bevor das Blatt freigegeben wird, oder war sie gerade im Urlaub?

Ralf Richter, per E-Mail

Auch beim Artikel "Betrug beim Mindestlohn" folgen Sie Ihren Reflexen: Anklagen, Unrecht benennen, Opferrolle einnehmen und Forderungen stellen, was natürlich auch oft sein muss.

Ich meine, Sie müssten auch in unserer Gesellschaft mal unseren Mut, Zusammenhalt und unsere Erfolge herausstellen, sonst fördern sie nur die Neiddebatte (hier Ausländer, ALG 2, Azubi) und erzeugen ein Ohnmachtsgefühl, "bringt doch sowieso nichts", für den Mindestlohn zu kämpfen ... Folgende Erfolge, die Sie eingangs im ersten Abschnitt auch erwähnt haben, können sie doch auch in der Überschrift herausstellen:

1. Der Mindestlohn hat sich trotz aller Arbeitgeber-Bedenken etabliert, viele, gerade Geringverdiener, profitieren heute davon. Hier könnten Beispiele folgen.

2. Auch durch den Mindestlohn ist es in den unteren Gehaltsstufen zu einer überdurchschnittlichen Lohnsteigerung von 15 Prozent gekommen. Dann können die Schlupflöcher genannt werden.

Klaus Siepmann, per E-Mail


Kommentar "Regierung im Wartestand", ver.di publik 1_2018

Es ist für mich enttäuschend, wie der DGB und auch ver.di sich durch "Selbstfesselung", um den Begriff des Autors zu benutzen, einer kämpferischen Politik beraubt.

Was kann es für Gründe geben, dass sich der DGB für eine GroKo einsetzt? (...) Richtigerweise sagt der Autor: "Eine politische Lähmung der Republik nutzt nur den Rechtspopulisten." Was passiert also in den nach der Wende deindustrialisierten Bundesländern? Die Entwicklung der "Speckgürtel" von Berlin, Leipzig und Dresden ist keine Lösung, wie das letzte Wahlergebnis beweist. Es ist unglaublich, die Renten sollen nicht unter 48 Prozent sinken! Klartext: Die Renten sollen nur nicht noch weiter sinken! Damit ist ver.di schon zufrieden?

Wir wissen aber, dass es in anderen Ländern auch andere Renten- und Arbeitszeitmodelle gibt, die durch eine allgemeine Beteiligung an der Finanzierung größere Spielräume schaffen. In Schweden probt man den 6-Stunden-Arbeitstag bei vollem Lohnausgleich und das durchaus mit positivem Ergebnis für alle Beteiligten. Wenn Kollege Hirschel feststellt: "Notwendige Leistungsverbesserungen bei Rente, Gesundheit und Arbeitslosigkeit stehen somit unter dem Finanzierungsvorbehalt eines neoliberalen Glaubenssatzes", so muss ich sagen, dass ver.di diese Glaubenssätze bisher nicht grundsätzlich durchbrochen hat, was es vielleicht auch schwer macht, gesellschaftliche Mehrheiten zu mobilisieren.

Frithjof Newiak, per E-Mail

Die positive Seite der Sondierungsbilanz des Kollegen Hirschel kann ich nicht nachvollziehen. Renten 10 Prozent über Grundsicherung sind für mich immer noch Armutsrenten. Die ausgehandelte Anzahl an Pflegekräften ist ein Tropfen auf den heißen Stein.

Und die paritätische Finanzierung der Krankenkassen gleicht lediglich den Fehler der alten GroKo aus. Aber Hirschel macht denselben Fehler, den auch viele unserer Gewerkschaftsführer machen: Sie messen das Sondierungsergebnis an den Jamaika-Ergebnissen und nicht an den Forderungen der eigenen Gewerkschaften. Dann nämlich ist das Sondierungsergebnis Peanuts und geradezu ein Schlag ins Gesicht aller Arbeitnehmer.

Dann müssten Hoffmann, Bsirske und Co. sich mal fragen, ob sie weiterhin diese neoliberale SPD loben und hofieren oder endlich mal richtige Gewerkschaftspolitik machen wollen.

Werner Montel, Hattingen


Thema "Es geht um mehr als die Wurst", ver.di publik 1_2018

Der Beitrag über das Bündnis "Wir haben es satt" liest sich wie eine Werbeanzeige. Die Forderungen nach einer "Agrarwende" werden einfach übernommen - unkritisch und undifferenziert. Dabei gibt es gute Gründe, nicht alles gut zu finden, was grünbewegte Kreise zur Landwirtschaft meinen. Siehe die diesjährige "Wir haben es satt"-Demonstration in Berlin: Da wurde mit geradezu missionarischem Eifer dazu aufgerufen, Produkte aus der Region und aus "fairem Handel" zu kaufen. Eine bessere Welt lässt sich aber nicht durch Konsumentscheidungen herbeiführen. "Anders einkaufen" ist keine Alternative zu einer politökonomischen Analyse der kapitalistischen (Land-)Wirtschaft. Diese Analyse leistet das "Wir haben es satt"-Bündnis jedoch nicht. Stattdessen verbreitet es romantisch-vormoderne Vorstellungen vom bäuerlichen Leben und wünscht sich eine Landwirtschaft, die geprägt ist von zwergbetrieblichen Biohöfen mit Streichelzooambiente. Die Gewerkschaften sollten solchen Verklärungen kleinwirtschaftlicher Strukturen nicht auf den Leim gehen. Sie sollten sich lieber Gedanken darüber machen, wie die moderne Landwirtschaft im Sinne einer gewerkschaftlichen Programmatik, die auf Bauernhofnostalgie verzichtet, umwelt-, tier- und sozialverträglicher gestaltet werden kann.

Geert Naber, Oldenburg


Brennpunkt "Noch eine Schul-GmbH", ver.di publik 1_2018

Ihren Bericht finde ich hoch spannend, weil er eine mit Einschränkungen unzulässige Privatisierung von Schulen vor allem im Raum Berlin eindrucksvoll schildert. Die "öffentlich-private Partnerschaft" ist in der Tat ein gescheitertes, da für die öffentliche Hand zu teures Modell, das aus Sicht der Daseinsvorsorge abzulehnen ist. Doch lassen Sie mich die "bayerische Variante" von Schul-Privatisierung anhand von eigenen Erlebnissen schildern: Im Freistaat werden weniger die Schulen selbst, als vielmehr ihre Mitarbeiter/innen privatisiert. Und zwar in Form von irregulärer Leiharbeit, meist betrieben durch private Bildungsträger. So sparen die Schulen beim ausgelagerten Personal rund die Hälfte ihrer Personalkosten, da diese Mitarbeiter/innen nicht dem TVöD unterliegen und meist nur befristete Verträge erhalten, oftmals unter Aussparung der in Bayern langen Sommerferien.

Volker Windisch, Kaufbeuren

Mit Erschütterung habe ich diesen Bericht gelesen. Sind Pisa und BSE in Berlin angekommen? Die Länder und Kommunen dürfen bei diesen niedrigen Zinsen keinen Kredit aufnehmen, aber dafür Miete an Investoren bezahlen!? Mathematik 5. Klasse. Diese Immobilien (Schulen, Straßen usw.) gehören der öffentlichen Hand - Staat, Land, Kommune - und dafür bezahlen wir Bürger Steuern, für die Anschaffung und Unterhaltung. So steht es zumindest im Bundesfernstraßengesetz. Somit ist dies ein Verstoß gegen Grundgesetze und unsere Verfassung. Hier werden Steuergelder und Eigentum der Bevölkerung verschwendet bzw. privatisiert.

Wo ist die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht?

Thomas Deuscher, Ludwigsburg


Thema "Reaktionen auf den Leserbrief von Josef Mannefeld", ver.di publik 1_2018

Als ehemaliger SPD-Wähler kann ich mich dem Kollegen Mannefeld nur anschließen. Nach Meinung vieler gegensätzlicher Leserbriefe soll also Deutschland allein die Welt retten. Mit weiterhin unbegrenzter Einwanderung von Unqualifizierten und folgendem Familiennachzug in die Sozialsysteme. Also noch mehr Parallelgesellschaften und soziale Spannungen. Wer soll das alles bezahlen? Also noch mehr Steuern, Abgaben und neue Schulden! Was dies für die Zukunft bedeutet, kann sich jeder ausmalen.

Robert-Ludwig Mayer, per E-Mail

Es geht weniger um die Meinung des Josef Mannefeld oder darum, ob er AfD gewählt hat. Es geht darum, und das muss ein Weckruf in die Gewerkschaften sein, wie in die Köpfe von Gewerkschaftern Ansichten und Meinungen gelangen können, wonach Armutserscheinungen in diesem Lande durch Flüchtlinge und Asylbewerber verursacht seien und das die soziale Bedrohung sei. Warum ist gewerkschaftliches Verständnis, Wissen und Erfahrung zu den Ursachen von Arm und Reich nicht bei allen Gewerkschaftern so ausgeprägt, wie bei dem Leserbrief-Schreiber Bernd Bücking und anderen?

Machen wir uns nichts vor, das Verständnis eines Mannefeld ist verbreiteter, als wir glauben wollen. Wenn es gegen die noch Schwächeren und Ärmeren geht, da schreit keiner Sozialneid, da wird es Patriotismus genannt. Wer die wirklichen Sozialschmarotzer und Bedrohungen beim Namen nennt, der wird beschimpft und für dumm erklärt.

Wenn Gewerkschaften jedes Wissen abhanden gekommen ist, jede Solidarität und Zugehörigkeitswahrnehmung, dann sieht es traurig aus um alle Armen und davon mehr und mehr Bedrohten.

Roland Winkler, per E-Mail

Nach dem Abitur 1957 in die damalige ÖTV eingetreten, bin ich wohl der jahrgangs- und mitgliedsälteste Leserbriefschreiber zu diesem Thema. Besonders dem von Kollegen Elbel in seinem Leserbrief prognostizierten Untergangsszenarium muss heftig widersprochen werden. Ich kenne in meiner seit mehr als 50 Jahren bewohnten unmittelbaren Umgebung, einem sozial gut durchmischten Stadtrandviertel Münchens, in dem ich jahrzehntelang ehrenamtlich tätig bin, keinen einzigen Fall, der zu einer brutal fehlerhaft von ihm herbeigeredeten Zeitbombenverdächtigung taugt. Seine offensichtlich zur Schau getragene Affinität zur AfD wird darüber hinaus noch getoppt von seiner Liebkosung des längst untergegangenen Sozialismus unseliger Zeiten. Angesichts solcher Gewerkschaftsmitgliedergenossen schämt man sich fast, dem gleichen Verein anzugehören.

Dr. Helmut Sperber, München


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