Zentrale Flüchtlingsunterkunft in Herford: Der billigste Anbieter hat den Zuschlag bekommen

Nordrhein-Westfalen - Im ostwestfälischen Herford hat zum 1. März der Betreiber der Landeseinrichtung für Flüchtlinge in der ehemaligen Harewood-Kaserne gewechselt. Seither ist nicht mehr European Homecare, ein auf Flüchtlingsunterbringung spezialisiertes Unternehmen aus Essen, zuständig, sondern die Weberhaus Nieheim gGmbH, eine Tochter des Kolping-Bildungswerks Paderborn. Für die meisten Beschäftigten bedeutete der Betreiberwechsel den Verlust ihres Arbeitsplatzes. 17 von ihnen klagen mit Unterstützung von ver.di dagegen. European Homecare hatte den 17 Beschäftigten in einer ersten Reaktion 500 Euro Abfindung angeboten. Allerdings lehnten die Kolleg/innen das Angebot ab. Sie wollen ihre Arbeitsplätze behalten.

Auch der ver.di-Vorsitzende interveniert

Mitte März besuchte sie der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Er sprach von unhaltbaren Zuständen und forderte die nordrhein-westfälische Landesregierung auf, dieser Form von Vergabeentscheidungen einen Riegel vorzuschieben. Er sagte den Betroffenen zu, Ministerpräsident Armin Laschet, CDU, und Landesarbeitsminister Karl Laumann, CDU, auf den Fall anzusprechen. Mit beiden hat Frank Bsirske inzwischen gesprochen. Auf Veranlassung von Laumann wird es am 24. April ein Gespräch im Ministerium geben, Ministerpräsident Laschet hat von ver.di auf auf seinen Wunsch hin in der zweiten Aprilwoche noch einmal eine Auswertung des Vorgangs erhalten.

Weberhaus Nieheim hatte in der Ausschreibung durch die Bezirksregierung in Arnsberg den Zuschlag bekommen. Es war nicht das erste Mal in Nordrhein-Westfalen, dass sich ein billigerer Anbieter durchsetzt, sagt der zuständige ver.di-Sekretär Jens Ortmann. Vor einem Jahr hatte er einen ähnlichen Fall im benachbarten Oerlinghausen. Dort hatte die Betreuungsdienste Westfalen-Lippe gGmbH, eine Tochter des Deutschen Roten Kreuzes, von den Johannitern übernommen. Beschäftigten, die bei diesem Wechsel den Job verloren hatten, hat das Arbeitsgericht Detmold jüngst bestätigt, dass die Entlassungen nicht rechtmäßig gewesen seien, weil es sich um einen Betriebsübergang gehandelt habe.

Auf freie Stellen in Wuppertal verwiesen

Einen solchen Betriebsübergang sieht Jens Ortmann auch beim jetzigen Betreiberwechsel. Der neue Betreiber argumentiert jedoch, es handele sich um ein neues Konzept. Und weil zukünftig weniger Geflüchtete betreut werden sollen, benötige er eben nicht alle bisherigen Beschäftigten. Er verwies dabei auf freie Stellen, für die er noch Fachkräfte suche - im 160 Kilometer entfernten Wuppertal.

Jens Ortmann bezeichnet das Vorgehen hingegen als Lohndumping. Das Land wolle mit der Neuausschreibung Kosten sparen und habe daher dem billigsten Anbieter den Zuschlag gegeben. Die Folge sei, dass die Löhne weiter sinken. Weberhaus Nieheim verweist darauf, sich bei der Bezahlung an einer kirchlichen Richtlinie zu orientieren. Diese lehne sich an den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TvÖD) an. Nach Berechnungen Ortmanns liegt die Bezahlung des Trägers aber bis zu 27 Prozent darunter. Sozialarbeiter bekämen demnach brutto teilweise monatlich mehr als 1.100 Euro weniger. Hinzu kommen weitere schlechtere Regelungen wie beispielsweise eine deutlich geringere Jahressonderzahlung.

Die klagenden Beschäftigten stecken deshalb nicht auf. Am 14. April begleiteten zwei von ihnen Jens Ortmann von ver.di zur Landestagung der CDA, dem Arbeitnehmerflügel der CDU, in Coesfeld, um für ihr Anliegen zu werben.