Brot, Arbeit, zum Teufel mit dem Fonds!“, skandierte eine riesige Menschenmenge, welche die Plaza de Mayo im Zentrum der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires füllte. Der Juni begann mit einem schwarzen Freitag für die Regierung von Präsident Maurício Macri und dessen konservative Koalition Cambiemos. Aus dem ganzen Land waren Demonstranten einem Aufruf der sozialen Bewegungen gefolgt, um ihre Ablehnung der neoliberalen Politik Macris kundzutun. Unmittelbar zuvor hatte der Staatschef mit seinem in Rekordzeit verhängten Veto gegen die Entscheidung des von der peronistischen Opposition beherrschten Senats, die Tarife für Strom, Gas und Wasser zu deckeln, abermals die Unzufriedenheit geschürt.

Die Masse der Bevölkerung leidet unter rapide steigenden Lebenshaltungskosten und dem Wertverlust des Pesos. Das Scheitern der aktuellen Wirtschaftspolitik ist offenbar. Unter Macri, der sich als Antipolitiker inszeniert und von den monopolartigen privaten Medien gepuscht wird, dient sich Argentinien seit Ende 2015 wieder den internationalen Finanzmärkten und Washington an. Investiert wird in die Rüstung, die Rolle des Militärs wird aufgewertet, die Diktatur 1976 – 1983 und ihre Verbrechen werden verharmlost. Während das große Agrobusiness in der Regierung feste Verbündete hat, wird der Öffentliche Dienst zur Ader gelassen. Mit großen Streiks und Demonstrationen wehren sich die Beschäftigten seit Monaten gegen Massenentlassungen und Lohnanpassungen, die weit unter der Inflationsrate von jeweils 30 bis 40 Prozent in den beiden zurückliegenden Jahren lagen.

Milliarden Dollar an Hedgefonds

Macris neoliberale Rezepte bringen Lateinamerikas drittgrößte Volkswirtschaft keineswegs in Schwung. Die Binnenkaufkraft leidet, viele kleinere Firmen gehen Pleite. Für viel Wut sorgt die Anfang Mai erfolgte Ankündigung der Macri-Regierung von Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Stand-by-Kredite in Höhe von 30 – 40 Milliarden US-Dollar. Diese sollen als Beruhigungspille bei Käufern von Staatsanleihen wirken. Der IWF knüpft eine Vergabe an politische Bedingungen. Macri bricht damit eines seiner zentralen Wahlversprechen. Seit 2016 mischt Argentinien wieder im Geschäft mit Staatsanleihen mit. Aus den Einnahmen fließen Milliarden Dollar an Hedgefonds. Die Heuschrecken hatten während der Krise um 2001 argentinische Schuldscheine für Peanuts aufgekauft und später vor US-Gerichten geklagt. Dank Macri – seine Vorgängerin Cristina Fernándes de Kirchner hatte den „Geierfonds“ noch die Zähne gezeigt – fahren diese damit nun Traumrenditen ein.

Am Rande der Kundgebung auf der Plaza de Mayo warf Hugo Yaski, Generalsekretär der Gewerkschaftszentrale CTA, der Regierung ein völliges Versagen vor. „Sie regieren für die Reichen, haben null soziale Sensibilität und sehen sich einem Ausmaß an Protest und Ablehnung gegenüber, der bis weit in die eigenen Wählerschichten reicht.“ Mit dem anderen großen Gewerkschaftsbund, der CGT, werde man über eine entschlossene gemeinsame Antwort auf Macris Veto und das Paktieren mit dem IWF beraten. Wie immer wieder von den Demonstranten gefordert, stehen die Zeichen auf Generalstreik.

Zu hören war am 1. Juni in Buenos Aires immer wieder auch der Ruf „Lula Libre!“⁠– die Forderung nach Freiheit für den seit dem 7. April politisch inhaftierten Präsidentschaftskandidaten der brasilianischen Arbeiterpartei PT, Lula da Silva. Im großen nördlichen Nachbarland wurde 2016 mit dem Sturz der damaligen Staatschefin Dilma Rousseff durch einen parlamentarischen Putsch ein ähnlicher wirtschaftspolitischer Kurs eingeleitet wie in Argentinien unter dem neoliberalen Präsidenten Maurício Macri.

Peter Steiniger