ver.di verhandelt für die Flugbegleiter/innen, die für Ryanair Deutschland arbeiten. Auch Beschäftigte anderer Länder fordern Tarifverträge

Viel Bewegung gibt es derzeit bei Ryanair – und das keineswegs nur in der Luft. Die Chefs der irischen Billigfluglinie erleben zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens kräftigen Gegenwind durch Streiks und andere Aktionen. Dafür sorgen Teile der Belegschaft, und zwar international.

Mitte August fanden in Dublin die ersten Tarifverhandlungen für rund 1.000 Flugbegleiter/innen statt, die für Ryanair Deutschland arbeiten. Zudem riefen auch in anderen Ländern Beschäftigte der Airline zu einer nachhaltigen Reform der Arbeitsbedingungen für die Kabinenbeschäftigten sowie zur Anerkennung des jeweiligen nationalen Rechts auf. Verhandlungen und Aufruf sind Bestandteil der internationalen, von ver.di unterstützten Kampagne „Cabin Crew United“ der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF).

„Das Einkommen muss endlich existenzsichernd und planbar werden“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle anlässlich der ersten Tarifverhandlungen für das Ryanair-Kabinenpersonal in Deutschland. Außerdem müsse Ryanair endlich deutsches Recht anerkennen und die Abführung von Beiträgen an die Sozialversicherung garantieren. Bisher fehle den Beschäftigten in vielen Fällen jegliche Sicherung im Krankheitsfall – schlimmstenfalls werde ihnen bei einer Erkrankung sogar ein Teil des geringen Entgelts wieder abgezogen. Komme es zu einem Tarifabschluss, dann müsse der, so Behle, auch für die Leiharbeitsbeschäftigten gelten, die derzeit zu noch schlechteren Konditionen arbeiteten als die direkt bei Ryanair angestellten Flugbegleiter/innen.

Viel mehr als ein offener Austausch der unterschiedlichen Einschätzungen habe bei der ersten Verhandlungsrunde zunächst nicht stattgefunden, erklärte Mira Neumaier, Verhandlungsführerin für ver.di. Insbesondere beim Thema Mitbestimmung sind die Fronten noch verhärtet. Ob zu kurzfristigen Zwangsversetzungen durch ganz Europa, Disziplinarmaßnahmen bei Krankheit oder immensem Konkurrenzdruck bei sogenannten An-Bord-Verkäufen – Themen, bei denen eine starke Personalvertretung die Interessen der Beschäftigten vertreten sollte, gibt es bei Ryanair genug. Zumindest erkenne die Fluggesellschaft nach Jahren der Totalverweigerung nun immerhin ver.di als gewerkschaftliche Vertretung der in Deutschland beschäftigten Flugbegleiter/innen an. Eine entsprechende Anerkennungsvereinbarung hatte Ryanair Mitte Juli unterzeichnet, in der ergebnisoffene Tarifverhandlungen sowie die Wahl der Tarifkommission nach deutschem Recht garantiert werden.

Guardians passen auf

Die Tarifkommission (TK) besteht aus neun Kolleg/innen des Kabinenbereichs aus Berlin, Frankfurt/Main, Düsseldorf, Köln und Bremen. Zudem setzen sich insgesamt 16 bekannte Persönlichkeiten als Paten für den unbehinderten Ablauf der Tarifverhandlungen ein. Zu diesen Guardians gehören der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle, ferner die Bundestagsabgeordneten Canzel Kiziltepe, SPD, Bernd Riexinger, Die Linke, und Arno Klare, luftverkehrspolitischer Sprecher der SPD. Wir „stehen mit ver.di dafür ein, dass Ryanair die grundgesetzlich festgeschriebene Koalitionsfreiheit einhält“, heißt es auf der Unterstützerseite: verkehr.verdi.de/branchen/luftverkehr/fluggesellschaften/ryanair

Die Ryanair-Flugbegleiter/innen vernetzen sich aber auch untereinander. „Wir haben im August erstmals eine Zusammenkunft von Kabinenbeschäftigten der Standorte Berlin-Tegel und Schönefeld organisiert, die sehr gut ankam“, berichtet Luigi Wolf, der im Auftrag von ver.di ein Organizing-Projekt bei Ryanair betreut. Mehr als 30 Kolleg/innen kamen zu dem Treffen.

Auch in Spanien, Italien, Belgien, Portugal und anderen europäischen Ländern kämpfen Partnergewerkschaften der ITF derzeit für Anerkennungsvereinbarungen und Tarifverträge mit der irischen Fluggesellschaft. Anfang Juli hatte die ver.di-Tarifkommission gemeinsam mit Ryanair-Flugbegleiter/innen aus über 14 Ländern auf einer von der ITF organisierten internationalen Konferenz in Dublin einen gesamteuropäischen Forderungskatalog öffentlich gemacht. Darin geht es unter anderem um faire Bezahlung und Sozialleistungen, Weiterbildung und unterstützende Unternehmenskultur, gleiche Bedingungen für Leiharbeitnehmer/innen und Anerkennung des jeweiligen nationalen Rechts.

Zeitnah wollen Ryanair und die Leiharbeitsfirmen ihre Positionen zu den Forderungen übermitteln. Ob Ryanair sich dabei auf die Beschäftigten zubewegt, ist offen. Die Flugbegleiter/innen sind motiviert und vorbereitet.