Während in der Druckindustrie um mehr Lohn und Gehalt verhandelt wird, steigen einzelne Arbeitgeber aus der Tarifbindung aus. Viele Beschäftigte machen jetzt Gegendruck. Fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt – das ist die Hauptforderung von ver.di für die 134.000 Beschäftigten. Die Forderung ist gut begründet, denn 2018 und 2019 sollen in Deutschland die Kosten für die Lebenshaltung um jeweils zwei Prozent steigen, die Wirtschaft um jeweils 1,8 Prozent wachsen.

Der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) als Arbeitgeberverband will hingegen den Tarifschutz für Jüngere streichen und bietet bislang Entgelte an, die einen Nettolohnverlust bedeuten würden. Die Regelungen zum Gesundheitsschutz und zur Maschinenbesetzung in den Anhängen zum Manteltarifvertrag will er gar nicht mehr in Kraft setzen.

Auch die fünfte Verhandlungsrunde am 22. November endete ohne Ergebnisse. Der Geduldsfaden in den Betrieben war überstrapaziert: Am gleichen Tag streikten unter anderem die Beschäftigten vom Verlagshaus Axel Springer in Ahrensburg bei Hamburg sowie die Früh- und Spätschicht der Druckvorstufe der Rhein-Neckar-Zeitung für die ver.di-Tarifforderungen. „Wir werden auf anderem Wege die Wiederherstellung von Tarifschutz und angemessenen Lohnerhöhungen organisieren“, erklärte ver.di-Verhandlungsführer Frank Werneke. In einem ersten Schritt werden nun Landesverbände der Druckarbeitgeber aufgefordert, in Gespräche mit der Gewerkschaft einzutreten.

Parallel steigen traditionsreiche Druckereien aus der Tarifbindung aus: So hatte Ende Oktober die Geschäftsleitung der Frankfurter Societäts-Druckerei, einer der größten Betriebe Europas für Rollen-Offsetdruck, mitgeteilt, dass sie mit sofortiger Wirkung und „mit Zustimmung der entsprechenden Gremien des Verbands Druck und Medien Hessen“ in eine Mitgliedschaft „ohne Tarifbindung“ (OT) wechsle. Auf Tarifflucht ging zeitgleich auch die Druckhaus Ulm-Oberschwaben GmbH; ein paar Wochen früher hatte sich die Druckerei der Augsburger Allgemeinen auf gleiche Weise verabschiedet.

Derartige „Blitzwechsel“ während einer von Streiks begleiteten Tarifrunde sind offenbar Teil eines bundesweit koordinierten Vorgehens der Zeitungsdruckereien. Durch die Möglichkeit der OT-Mitgliedschaft leisten die Arbeitgeberverbände der Tarifflucht geradezu Vorschub: „Hier ist die Politik aufgefordert, der weiteren Erosion tariflich geregelter Arbeitsverhältnisse auch gesetzlich einen Riegel vorzuschieben“, betont Frank Werneke.

Aus für Druckerei der Leipziger Volkszeitung

Anderswo wird gleich die Schließung angekündigt, wie zum Beispiel bei der Verlagsgesellschaft Madsack. Hier feiern, dort feuern scheint das Motto der Mediengruppe aus Hannover zu sein. Nur wenige Monate nachdem der Mega-Verlag sein 125-jähriges Bestehen mit großem Tamtam gefeiert hatte, kündigte er die Schließung der Druckerei der Leipziger Volkszeitung (LVZ) zu Ende 2019 an – damit verlieren 260 Menschen ihre Arbeit (siehe auch „Mein Arbeitsplatz“ auf Seite 6). Ab 2020 soll die Zeitung in einer nicht tarifgebundenen Druckerei in Halle/Saale hergestellt werden.

Madsack gehört mit einem jährlichen Umsatz von rund 650 Millionen Euro zu den fünf größten Zeitungsverlagen Deutschlands. Von den bisher satten Gewinnen profitierte auch die Sozialdemokratische Partei (SPD), die über ihre Medienholding DDVG mit 23,1 Prozent an Madsack beteiligt ist. Um die Mitverantwortung will man sich in der Partei aber am liebsten herumdrücken: „Wir haben eine Minderheitsbeteiligung, können also nichts entscheiden“, heißt es offiziell. Sollte eine Schließung unvermeidbar sein, will sich zumindest die SPD Sachsen „für eine möglichst sozialverträgliche Lösung für die Beschäftigten“ (Beschluss der SPD Sachsen) einsetzen.

„Wir haben lange genug verzichtet, um Arbeitsplätze zu sichern. Wenn Madsack den Laden wirklich dicht macht, fordern wir einen Ausgleich für unsere langjährige gute Arbeit“, kündigt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Jörg Tischler an. Für einen fairen Sozialplan legte die Belegschaft am Abend des 1. Dezembers die Arbeit nieder und demonstrierte vor dem Betriebstor. Der Druck auf die Arbeitgeberseite zeigt zumindest beim Abschluss des Haustarifvertrages schon Wirkung: Es gibt fünf Prozent mehr Lohn ab 1. Januar 2019 und im Februar eine Einmalzahlung von 200 Euro. Nun geht es um die Zukunft der 260 Beschäftigten ab 2020.