Ausgabe 02/2019
„Das ist ein Superabschluss“
Die Beschäftigten der Länder werden insgesamt 8 Prozent mehr Geld bekommen
Die Pflegekräfte bekommen zu den insgesamt 8 Prozent noch 120 Euro pro Monat obendrauf und die Azubis einen zusätzlichen Urlaubstag
„Hoch mit den Löhnen, runter mit den Mieten“, hatten zum Auftakt der dritten Verhandlungsrunde am 28. Februar hunderte Länderbeschäftigte des öffentlichen Dienstes in Potsdam lauter als laut gefordert. Von oben ließen sie goldenes Konfetti regnen, ein ver.di-Jugendlicher badete schon mal demonstrativ als grüne Kampfente verkleidet mit einem Fake-200-Euroschein in einer goldenen Badewanne. Drei Tage und 37 Verhandlungsstunden später stand am späten Abend eines fest: Die Löhne steigen, und zwar ordentlich, in drei Schritten um insgesamt 8 Prozent. Auch wenn die Laufzeit auf 33 Monate festgelegt wurde, wird am Ende jede*r mindestens 240 Euro mehr verdienen.
„Daumen hoch für die Pflege!“
„200 Euro sollten es mindestens mehr sein.“ Kristina Prast, OP-Schwester vom Uni-Klinikum Jena und seit neun Jahren freigestelltes Personalratsmitglied, war realistisch, bevor die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder Ende Januar begonnen, und die Pflegekräfte zusätzlich 300 Euro auf den generellen Lohnabschluss gefordert hatten. Nachdem nahezu drei Tage lang in der dritten Verhandlungsrunde gar das Scheitern nicht ausgeschlossen war, ist sie jetzt begeistert. „Daumen hoch für die Pflege!“, war ihr erster Kommentar, als das Ergebnis am späten Abend des 2. März auf dem Tisch lag. Examinierte Pflegekräfte werden rückwirkend zum 1. Januar 2019 bis zu 380 Euro brutto mehr im Monat erhalten. „Das ist mehr, als wir erwartet haben“, sagt Prast.
Die Uni-Klinik Jena, an der sie arbeitet, ist das einzige Klinikum, das das Bundesland betreibt. Und weil dort bisher die Gehälter deutlich niedriger waren als in den kommunalen Krankenhäusern, sind ihnen die Fachkräfte davongelaufen. „Jetzt haben wir viel bessere Chancen, Personal zu halten und auch zu gewinnen“, sagt Prast.
Auch der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske zeigte sich nach den zähen Verhandlungen mehr als zufrieden. „Wer von uns hat das schon mal erlebt, dass eine Kollegin oder ein Kollege mit einer dreijährigen Ausbildung 380 Euro auf einen Schlag im Monat mehr erhält. Das ist spektakulär.“ Die 380 Euro brutto setzen sich aus den prozentualen Erhöhungen und 120 Euro obendrauf zusammen, die die Pflegekräfte zusätzlich bekommen. In den letzten 20 Jahren hätte es kein Ergebnis gegeben mit einer derartigen sozialen Komponente, so der ver.di-Vorsitzende.
Als weitere soziale Komponente wurde zudem vereinbart: In allen 15 Entgeltgruppen im Landesdienst werden für Neueinsteiger die Einstiegsgehälter in den Eingangsstufen aufgewertet. Diese Aufwertung beträgt im Volumen rund 11 Prozent und erfolgt in zwei Schritten zum 1. Januar 2020 sowie zum 1. Oktober 2020.
Azubis bekommen 100 Euro mehr
Und so sieht das Gesamtergebnis im Detail aus: Rückwirkend zum 1. Januar 2019 wird es eine Lohnerhöhung von 3,2 Prozent, mindestens aber 100 Euro geben, zum 1. Januar 2020 eine weitere um 3,2 Prozent, mindestens aber 90 Euro und zum 1. Januar 2021 wird es noch einmal 1,4 Prozent, mindestens aber 50 Euro geben. Die Laufzeit endet im dritten Jahr am 30. September. Für die Auszubildenden steigen die Vergütungen um 100 Euro in zwei Schritten von 50 Euro, rückwirkend zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020. In den nächsten Wochen werden nun die ver.di-Mitglieder in den Länderbetrieben über die Annahme abstimmen. Ein Blick ins Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass in den vergangenen vier Jahren für so viele Beschäf- tigte lediglich in der Chemischen Industrie mit 3,6 Prozent bei 13 Monaten und in der Metallindustrie Baden-Württemberg mit 3,4 Prozent bei 12 Monaten Laufzeit geringfügig besser abgeschlossen wurde.
Roland Wegener, der Personalratsvorsitzende der Behörde für Gesundheits- und Verbraucherschutz Hamburg sagte im Verlauf des dritten Verhandlungstages: „Die Verhandlungen mit der Kommune waren auch nicht einfach, aber so sperrig gegen Notwendigkeiten wie sich die Arbeitgeber der Tarifgemeinschaft der Länder zeigen, ist schon ein Hammer.“ Und: „Wir sind hinsichtlich der Änderung der Entgeltordnung nur in wenigen Berufsgruppen in den vollen Umfang gekommen im Vergleich zu den Kommunen. Aber manche können sicherlich wegen des Lohnzuwachses jubeln.“
Eine Aufwertung erfahren vor allem die Pflegekräfte und die Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten, die ab dem 1. Januar 2020 in die bessere Entgelttabelle der Kommunen wechseln werden. Das seien wichtige Entwicklungsschritte im öffentlichen Dienst, sagte Frank Bsirske vor der Presse: „Damit haben wir die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Fachkräfte und Berufseinsteiger nachhaltig verbessern können. Das ist ein Erfolg für beide: Gewerkschaften und Arbeitgeber.“ Horst Lehmann, Bühnentechniker am Staatstheater Karlsruhe, sagte vor der letzten Verhandlungsrunde noch: „Das Ergebnis wird für uns so oder so schlecht ausfallen.“ Die ver.di-Mitglieder am Theater hatten sehr hohe Erwartungen. „Das ist ein Superabschluss“, sagt er jetzt, und: „Wir sind bereit, das mitzutragen, auch wenn wir von den Aufwertungen nicht so profitieren wie etwa die Pflegekräfte. Aber wir sind da solidarisch.“
Jetzt müssen eigentlich nur noch die Mieten sinken.