Ausgabe 06/2019
Notwehr in einer Hitzeschlacht
Der nächste Sommer kommt bestimmt. Bis dahin sollte ein Weg gefunden sein, die Busfahrer*innen vor dem Hitzekollaps zu schützen
„Cool it, Stadtbus GmbH!“, steht auf den runden Aufklebern, die in den heißen Sommermonaten in Bad Kreuznach allenthalben zu sehen waren. Als Unterstützung für die Busfahrer, die bei 45 Grad und mehr in unklimatisierten Bussen ihren Dienst tun müssen. Zwar ist die große Hitze inzwischen überstanden, doch das Problem ist nicht aus der Welt – im Gegenteil.
Am 26. Juni war es, Hoch „Ulla“ ließ die Sonne unbarmherzig auf die großen Frontscheiben der Stadtbusse brennen, da kollabierte ein Fahrer und konnte sein Fahrzeug am Bahnhofshalt gerade noch zum Stehen bringen. Wie, wusste er später nicht mehr, er erinnerte sich lediglich an einen „Tunnelblick“, Zittern und taube Gliedmaßen.
Hilfe kam aus dem nachfolgenden Bus. Den fuhr Thomas Rockel, der Betriebsratsvorsitzende. Er rief einen Rettungswagen, der den Kollegen ins Krankenhaus brachte. „An dem Tag hat es mir gereicht“, sagt Rockel, „wir hatten ähnliche Vorfälle schon 2018, auch Fahrgäste waren betroffen“.
Nach Rücksprache im Betriebsrat ging er wenig später zur Polizei und zeigte seinen Arbeitgeber an. Wegen fahrlässiger Körperverletzung und Nötigung.
Das Hitzeproblem war tatsächlich kein neues. Schon im Jahrhundertsommer 2018 hatte der Betriebsrat von der privaten Stadtbusgesellschaft die Nachrüstung der Fahrzeuge mit Klimaanlagen gefordert. Aktuell sind 41 von 48 Stadtbussen ohne jede Klimatisierung. Doch die Geschäftsführung blieb weitgehend untätig, versteckte sich hinter der Gewerbeaufsicht. Ein externer Sachverständiger, wie ihn die Betriebsräte vorschlugen, wurde abgelehnt. Allenfalls von Ventilatoren an den Fahrerarbeitsplätzen versprach man sich Kühlung und von Trinkpausen. Notfalls sollten die Fahrer ihren Bus eben stehen lassen. „Das macht niemand“, sagt Rockel, „schon aus Angst um seinen Arbeitsplatz“.
Lediglich in einem einzigen Bus wurde inzwischen ein Ventilator angebaut. Keine Lösung, sagen die Fahrer. In der kaum kühlenden Zugluft riskiere man Nackenschmerzen und Bindehautentzündungen.
Fakten lieferten dann auch Messungen der Dekra: „Ich war dabei“, berichtet ver.di-Sekretär Marko Bärschneider. „Ende Juli wurden im unklimatisierten Bus mittags um Eins 44,4 Grad gemessen. In dem mit Ventilator waren es nur zwei Grad weniger. Alles unerträglich.“ Zwischen 15 und 16 Uhr, sagen die Fahrer zudem, steige das Thermometer in den Bussen erst richtig an, zeigte bis zu 50 Grad.
Die Bad Kreuznacher gingen in ihrem Kampf für Klimatisierung auch an die Öffentlichkeit. Im örtlichen Stadtrat gibt es Solidarität. Die Gruppierung Progressives Bad Kreuznach fertigte und lieferte die Aufkleber, die auch unter Fahrgästen verteilt wurden. Von der SPD 60+ kam Zuspruch. Der Kreisverband des DGB kritisierte die „skandalöse Situation“ und forderte ein Eingreifen der Politik, die darüber nachdenken solle, Verkehrsbetriebe wieder zu rekommunalisieren.
Tatsächlich fährt die Bad Kreuznacher Stadtbus GmbH eigenwirtschaftlich und bekommt kaum Zuschüsse. Eine vollständige Klimatisierung der Busflotte, von der auch die Fahrgäste profitierten, würde wohl 150.000 Euro, die bloße Kühlung der Fahrerarbeitsplätze knapp 40.000 Euro kosten. Diese Investition scheut man, zumal der Verkehrsauftrag 2020 auslaufe. Die Geschäftsleitung wiegelt weiter ab, spricht von einem politischen Scharmützel und „reiner Agitation“.
So hat es die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach nicht ausgedrückt, doch hat man die Anzeige des Betriebsrats recht zügig abgeschmettert und das Verfahren eingestellt. Der Stadtbus GmbH sei keine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen, es handele sich um eine rein arbeitsrechtliche Streitigkeit.
Müssen Busfahrer*innen also nach Recht und Gesetz schwitzen? Die Arbeitsstättenverordnung, die eine „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ verlangt, gilt ausdrücklich nicht im öffentlichen Verkehr. „Es gibt auch keine vergleichbare spezielle Regelung für den Arbeitsschutz der Fahrer“, kritisiert ver.di-Bundesfachgruppenleiterin Mira Ball. Die Anzeige in Bad Kreuznach sieht die ver.di-Verkehrsexpertin als eine „Art Notwehr“ und verlangt „endlich verbindliche Festlegungen für solche Arbeitsplätze“, wo mit Menschen ein besonders kostbares Gut transportiert werde.
Daran hält auch der Betriebsrat fest und pocht auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Gemeinsam mit der Gewerkschaft hat man Argumente gesammelt und ist überzeugt: Auch im Rahmen einer Gefährdungsanalyse muss im Betrieb etwas geschehen. Die Stadtbus GmbH sei sehr wohl auch gesetzlich verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Beschäftigten auszuschließen, sagt ver.di-Mann Marko Bärschneider.
Noch im August hat Thomas Rockel Einspruch bei der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz eingelegt. Er verlangt, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden und verweist auf mehrere Paragrafen im Arbeitsschutzgesetz: „Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen, heißt es da. Vorsätzliche Verstöße bilden gar einen eigenständigen Straftatbestand.
Dass aus Koblenz noch keine Antwort gekommen ist, lässt den Betriebsratsvorsitzenden hoffen, dass sich die Justiz der Sache jetzt doch gründlich annimmt. Denn der nächste Sommer kommt bestimmt.