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Schon vor der Verkehrsminister*innenkonferenz Mitte Oktober in Köln gaben die Betriebsräte von elf kommunalen Verkehrsunternehmen Einblick in ihre aktuelle Lage. Diese Verkehrsbetriebe kämpfen mit finanziellen Engpässen, die es ihnen erschweren, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern und ihr Angebot auszubauen, um zur Verkehrswende und somit zur Klimawende beizutragen.

Schon heute ist es so, dass die Kosten für die Infrastruktur von U-Bahnen, Straßen- oder Stadtbahnen die Kommunen deutlich überfordern, warnte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Finanziert wird der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) bislang häufig über einen sogenannten steuerlichen Querverbund mit den Stadtwerken. Aber auch die Stadtwerke müssen ihren Beitrag für die Energiewende leisten, und auch der kostet Geld. Beispiel Wuppertal: Die Stadt soll bis 2035 klimaneutral werden. Dafür sind massive Investitionen nötig. Sonja Detmer vom Betriebsrat der Wuppertaler Stadtwerke mobil GmbH berichtete, dass dafür die Gewinne der Stadtwerke gebraucht werden. Das Geld fehle schon heute bei der Finanzierung des städtischen ÖPNV auf derzeitigem Stand.

Überstunden im fünfstelligen Bereich

Doch bis 2030 müsste der ÖPNV massiv ausgebaut werden, um die Verkehrs- und Klimawende zu erreichen. Dazu braucht man mehr Personal. Hinzu kommt, dass im Zuge des demografischen Wandels jedes Jahr rund 8.000 Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Aber es ist schwierig, neue Beschäftigte zu finden, denn die Arbeitsplätze werden durch die wachsende Arbeitsbelastung immer unattraktiver.

Davon zeugt auch der hohe Krankenstand. Marco Steinborn, Betriebsratsvorsitzender der Kölner Verkehrsbetriebe, sagte, er liege im Fahrdienst bei bis zu 16 Prozent. Überstunden hätten sich derzeit im fünfstelligen Bereich angesammelt. Immer wieder müssten Kolleg*innen kurzfristig Schichten übernehmen, dadurch werde das Privatleben immer schlechter planbar. Auch für gute Arbeit braucht man mehr Geld und nur mit attraktiveren Arbeitsbedingungen könne man mehr Leute für die Arbeit im ÖPNV begeistern. Häufig sei der Fahrplan der Maßstab, Beschäftigte spielten kaum eine Rolle. Entlastung und Aufwertung seien die Schlüssel, um den ÖPNV als Arbeitgeber attraktiver zu machen.

"In der ganzen Republik fallen Verkehre aus, viele stehen schlechter da als vor der Pandemie", sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende der Leipziger Verkehrsbetriebe, Jens Hermann-Kambach. So sei die Verkehrswende nicht zu schaffen. In Bochum müssen an Spitzentagen bis zu 70 Kolleg*innen an ihrem freien Tag arbeiten, damit die Verkehre aufrechterhalten werden können, sagte Kevin Miers, der Betriebsratsvorsitzende des örtlichen Verkehrsunternehmens Bogestra. Das sei eine Mega-Kraftanstrengung, die auf Dauer nicht weiter gut gehen könne: "Wir sind in einer Spirale, die immer weiter abwärts geht."

In Düsseldorf hat der Stadtrat eine Taktverdichtung ab Januar beschlossen. Dafür werden 340 neue Beschäftigte im Fahrdienst gebraucht. "Das wird megaanstrengend, die zu bekommen", sagte Renate Büttner, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Rheinbahn. Mit der derzeitigen Bezahlung könnten die Unternehmen im Wettbewerb um Arbeitskräfte nicht mehr standhalten. "Um Arbeitsplätze im ÖPNV attraktiver zu gestalten, insbesondere im Fahrdienst, bedarf es planbares Geld für Unternehmen", ergänzte Janine Köhler, stellvertretende Gesamtpersonalratsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe.

Thomas Heimbürger, Betriebsratsvorsitzender der Verkehrsgesellschaft Frankfurt/Main (VGF) sagte, er habe von der Stadt die Frage gestellt bekommen "Warum braucht ihr denn auf einmal so viel Personal?" Man soll doch schauen, ob man nicht einsparen könne. Für Heimbürger ist das ein Widerspruch in sich. "Die Kommunen werden allein gelassen von Land und Bund", kritisierte er.

Verkehrswende in Gefahr

Aber auch der Ausbau müsse weiter vorangehen, um das Ziel der Verkehrswende zu erreichen. Insbesondere im ländlichen Raum fehle das Geld, um beispielsweise die Anzahl der Fahrzeuge zu erhöhen und eine bessere Infrastruktur und Anbindung zu schaffen und somit die Verkehrswende einzuleiten, sagte Christine Behle.

"Eine soziale Verkehrswende gibt es nur mit guten Arbeitsbedingungen", sagte Debora Roschka von Fridays for Future (FFF). Alle seien täglich auf einen sicheren und guten ÖPNV angewiesen. Deswegen würde Fridays for Future ver.di auch Anfang kommenden Jahres unterstützen, wenn über den Tarifvertrag für den Nahverkehr (TV-N) verhandelt wird. ver.di und FFF haben sich in der Allianz #wirfahrenzusammen zusammengeschlossen. Gemeinsam sammeln sie Unterschriften für eine Petition. "Die Verkehrswende erreichen wir nur gemeinsam", so Roschka.

wir-fahren-zusammen.de