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In Zukunft mehr RenteUte Grabowsky/photothek.net

Kaum hatte sich die Große Koalition auf einen Kompromiss zur Grundrente verständigt, schien der auch schon wieder in Gefahr. Angesichts des neuen Führungsduos an der SPD-Spitze, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, warnte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vor einem Aus der Grundrente. Sollte es zu einem Aus der Großen Koalition kommen, seien auch diese Pläne vom Tisch. Das parlamentarische Verfahren könne erst beginnen, wenn der Fortbestand der GroKo sicher sei.

Annelie Buntenbach, Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes, warf der CDU-Vorsitzenden daraufhin vor, sie nehme 1,5 Millionen Menschen mit niedrigen Renten damit in Geiselhaft. "Wer auf dem Rücken von Niedrigrentnern Parteipolitik macht, zerstört das Vertrauen in demokratische Prozesse", sagte sie.

Union für Bedürftigkeitsprüfung

Mitte November hatten sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD auf Eckpunkte zur Grundrente verständigt. Strittig war bis dahin in erster Linie die Bedürftigkeitsprüfung. Sie war im Koalitionsvertrag vereinbart worden, das Konzept, das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, Anfang des Jahres vorgestellt hatte, sah sie aber nicht vor. Doch viele Unions-Politiker*innen wollten darauf nicht verzichten. Unterstützt wurden sie dabei von der Wirtschaft und entsprechenden Lobbyverbänden.

ver.di hatte das Konzept des Ministers begrüßt. Der wollte mit seinem Plan dafür sorgen, dass jede*r, der*die 35 Jahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet oder Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, ein Recht auf eine eigenständige Alterssicherung hat, die oberhalb der Grundsicherung liegt. Der im November gefundene Kompromiss sieht eine Einkommensprüfung vor. Das bezeichnete der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke als "unnötige Komplikation und Hürde". Er kritisierte, dass die Einkünfte von Ehepaaren für den Anspruch auf eine Grundrente zusammengerechnet werden sollen. "Das ist Ausdruck eines antiquierten Frauenbildes – dieses wollen konservative Politiker offenbar verfestigen", so Werneke.

Grundsätzlich bezeichnet er die Lösung des Konflikts aber als "einen wichtigen Schritt der Koalition zur Anerkennung der Lebensleistung vieler tauend Menschen und für mehr Fairness im Rentensystem". Wer jahrzehntelang mit niedrigen Einkommen hart gearbeitet habe, könne nun eine Rente bekommen, die oberhalb der Grundsicherung liegt. Rund 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen werden nach ersten Schätzungen davon profitieren, wenn die Koalition ihre Pläne jetzt umsetzt. Insbesondere sind es Frauen, die dann Anrecht auf einen Aufschlag haben, mit dem ihre Rente oberhalb der Grundsicherung liegen wird. Hätte Heil seine ursprünglichen Pläne umgesetzt, wären es schätzungsweise 3 Millionen Anspruchsberechtigte gewesen.

Anfang 2021 sollen die Pläne nach bisherigen Planungen in Kraft treten. Werden die Eckpunkte wie beschlossen umgesetzt, hätten diejenigen einen Anspruch auf einen Zuschlag zu ihrer Rentenzahlung, deren Beitragsleistung mindestens 30 Prozent des Durchschnittseinkommens beträgt, aber nicht mehr als 80 Prozent erreicht. Das entspräche zwischen 0,3 und 0,8 Entgeltpunkten pro Beitragsjahr. Außerdem müssten sie mindesten 35 Jahre lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein oder entsprechende Zeiten durch Kindererziehung, Pflege, Bezug von Leistungen bei Krankheit und Reha oder Antragspflichtversicherung für Selbstständige aufweisen können. Um Härten bei den 35 Jahren abzufedern, wurde vereinbart, dass es eine "kurze, wirksame Gleitzone" geben soll. Allerdings ist offen, wie die gestaltet werden soll. ver.di fordert eine Gleitzone ab dem 30. Beitragsjahr.

Gedeckelte Aufwertung

Sind die Voraussetzungen erfüllt, wird die Rente nach derzeitigen Plänen für höchstens 35 Jahre auf maximal das zweifache der Entgeltpunkte aufgewertet. Gedeckelt ist diese Aufwertung aber bei einer Höhe von 0,8 Entgeltpunkten. Was sich kompliziert anhört, führt in der Konsequenz dazu, dass niemand mit dem Zuschlag über 0,8 Entgeltpunkte kommt. Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, wird der Zuschlag um 12,5 Prozent gekürzt. So soll vermieden werden, dass jemand, dessen Rente von 0,4 auf 0,8 Entgeltpunkte aufgewertet wird, auf die gleiche Summe kommt wie jemand, der sich pro Jahr 0,75 Entgeltpunkte erarbeitet hat. Da derjenige nur um 0,05 Prozentpunkte aufgewertet wird, fällt der Abschlag entsprechend geringer aus.

Gezahlt werden soll die Grundrente sowohl an Neu- als auch an Bestandsrentner*innen. Damit niemand dafür einen Antrag stellen muss, soll die Deutsche Rentenversicherung prüfen, ob ein Anspruch besteht. Sie gleicht die Daten für die Einkommensprüfung auch mit denen des Finanzamts ab. Als Einkommen soll das zu versteuernde Einkommen gelten, unter Hinzuziehung des steuerfreien Anteils von Renten und Kapitalerträgen wie Mieten, Pachten, Dividenden oder Zinsen. Der Einkommensfreibetrag liegt bei Alleinstehenden bei 1250 Euro, bei Paaren bei 1950 Euro.

Nach den Koalitionsplänen soll die Grundrente flankiert werden von einem Freibetrag beim Wohngeld, damit die Verbesserung durch die Grundrente nicht durch eine Kürzung beim Wohngeld aufgehoben wird. Außerdem soll es einen Freibetrag für diejenigen geben, die bislang Grundsicherung bezogen haben. Finanziert werden sollen die Freibeträge wie die Grundrente aus Steuermitteln. Dazu sollen nach den Plänen der Regierungskoalition die Bundeszuschüsse erhöht und die im Koalitionsvertrag vereinbarte Finanztransaktionssteuer eingeführt werden.

Leitartikel Seite 15