Ausgabe 04/2020
Erkaufte Rücktritte
Der Logistiker Dachser Food aus Bremen hat versucht, einen aktiven Betriebsratsvorsitzenden mit erpresserischen Methoden zum Schweigen zu bringen und damit die Betriebsratsarbeit schwerwiegend behindert. ver.di hat Strafanzeige gegen den Chef von Dachser Food Logistics in Bremen gestellt.
Der damalige Betriebsratsvorsitzende und Gewerkschafter Thomas Urbanski hatte seine Wahl in den Betriebsrat (BR) sehr ernst genommen und sich aktiv für die Rechte der Beschäftigten eingesetzt. Dadurch hat er erreicht, dass der mit dem Arbeitgeberverband in Niedersachsen ausgehandelte Flächentarifvertrag auch richtig bei Dachser umgesetzt wird. Das Einhalten der Regelungen brachte den Beschäftigten aufgrund der genauen Abrechnung der Arbeitszeit mehr Lohn. Weitere Konflikte schwelten und spitzten sich zu. Der Niederlassungsleiter ordnete schließlich eine Herabstufung von Thomas Urbanski vom Lagerleiter zum Azubi-Beauftragten an. Urbanski holte sich Unterstützung bei ver.di.
Zu dieser Zeit wurde anderen Betriebsrats-Mitgliedern eine Entgelterhöhung angeboten, sollten sie das Gremium verlassen. In einem Fall kann ver.di das belegen. "Es gibt den Fall einer Kollegin, die gekündigt hat und jetzt woanders arbeitet. Sie hat uns die Beweise für die erpresserischen Methoden der Niederlassungsleitung zur Verfügung gestellt", sagt Jonas Lebuhn, Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Postdienste, Speditionen, Logistik im ver.di-Bezirk Bremen-Nordniedersachsen. Nachdem fünf Mit- glieder aus dem Betriebsrat zurückgetreten waren, musste das Gremium wegen Unvollständigkeit vorläufig aufgelöst werden.
Bekannte Strategie
Das Handeln des Niederlassungsleiters sieht ver.di als einen schweren Verstoß nach Paragraf 119, (1) Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz: "Behinderung der Betriebsratsarbeit". ver.di-Gewerkschaftssekretär Jonas Lebuhn kennt die Strategie: "Wenn ich als Arbeitgeber den BR-Vorsitzenden nicht wegbekomme, dann versuche ich das ganze Gremium aufzulösen." Thomas Warner, ver.di Fachbereichsleiter Postdienste, Spedition und Logistik für Niedersachsen und Bremen, sagt: "Ein Angriff auf den Betriebsrat ist immer auch ein Angriff auf die ganze Belegschaft und die Demokratie. Unsere ver.di-Mitglieder stehen unter dem Schutz einer starken Gewerkschaft."
Nachdem ver.di vor kurzem mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gegangen ist, versucht Dachser nun Thomas Urbanski mit besseren Angeboten zu befrieden. Die alte Versetzung wurde inzwischen zurückgenommen. Damit wäre Urbanski eigentlich wieder Lagerleiter. Zugleich hat er aber eine außerordentliche Veränderungskündigung auf eine stellvertretende Assistenz der Betriebsleitung bekommen. Der Betriebsrat hat dem nicht zugestimmt, und so läuft das Kündigungsersetzungsverfahren nun ebenfalls vor Gericht.
Die Beschäftigten zeigten sich solidarisch und wählten Thomas Urbanski auch in das neue Betriebsratsgremium. Und es gibt viele neue Eintritte in ver.di, weiß Jonas Lebuhn. Anderen in ähnlichen Fällen rät er, sich schnell Hilfe bei ver.di zu holen. So ein Kampf könne sich hinziehen. Da gelte es, sich die Kräfte einzuteilen.
Der Vorgang in Bremen ist auch deshalb frappant, weil Dachser zu den führenden Logistikunternehmen in Deutschland gehört. Der Bremer Betrieb hat etwa 150 Beschäftigte und ist einer der wichtigsten Frischelogistiker in Bremen und Umgebung; er gehört zur Dachser Group SE & Co. KG mit Sitz in Kempten und fast 400 Standorten mit über 30.000 Mitarbeitern.