Ausgabe 06/2020
Pandemie vorgeschoben
"Das Betriebsverfassungsgesetz gilt auch in Corona-Zeiten, die Pandemie darf nicht vorgeschoben werden, um Gewerkschaften den Zutritt zum Betrieb zu verwehren", sagt Suzana Tedesco vom ver.di-Bezirk Stuttgart. Das aber versucht derzeit das Omnibusunternehmen Spillmann, eine 100-prozentige Tochter der Stadt Bietigheim-Bissingen. Es sei schlimm genug, dass sich dessen Geschäftsführer Bülent Menekse wie ein Herrscher aufführe, die Stadt dürfe nicht auch noch tatenlos dabei zusehen, sagt Suzana Tedesco.
Der Konflikt zwischen ver.di und Spillmann habe vor zwei Jahren begonnen: Im Oktober 2018 hatte Tedesco die Betreuung des Unternehmens übernommen und bei einer Betriebsversammlung den Arbeitgeber wegen der Arbeitsbedingungen zur Verantwortung gezogen. Damit habe er wohl nicht gut umgehen können, sagt die Gewerkschafterin. Seither schwele der Konflikt. Damals sei nur eine Handvoll Beschäftigter in ver.di organisiert gewesen, gestritten wurde um den Gehaltstarifvertrag.
Zutritt verwehrt
Schon bald organisierten sich fast alle Beschäftigten. Nun steht eine weitere Tarifrunde bevor: Ab Dezember geht es um den Manteltarifvertrag. Tedesco sieht hier einen Zusammenhang. Ganz offensichtlich wolle der Arbeitgeber die Gewerkschaft herausdrängen. Während mehr als ein Dutzend Fremdfirmen jederzeit Zugang zum Betrieb hätten, wie vom Betriebsrat zu hören sei, solle ver.di der Zutritt verwehrt werden.
Im Juli wollte Suzana Tedesco auf Einladung des Betriebsrats an einer Besprechung teilnehmen und wurde von Betriebsleiter Michael Halda im Auftrag von Geschäftsführer Bülent Menekse aufgehalten. Bezeichnenderweise kam ihr der Betriebsleiter auf der Treppe ohne Mundschutz entgegen. Auch habe er sich nicht an die Abstandsregeln gehalten und streckte ihr zur Begrüßung die Hand entgegen.
Ausnahmsweise ist das falsche Wort
Da sie sich nicht aufhalten lassen wollte, rief er die Polizei. Die stellte vor Ort fest, dass es keinen Grund gebe, ihr den Zutritt zum Betriebsratsbüro zu verwehren. Daraufhin wurde der Bürgermeister der Stadt als Träger des Unternehmens, Joachim Kölz, angerufen; der entschied, ausnahmsweise dürfe die Gewerkschafterin ihr Zugangsrecht ausüben. Allein das Wort "ausnahmsweise" sei schon falsch, sagt Tedesco: "Das Betriebsverfassungsgesetz schützt unser Zugangsrecht."
Zwei Wochen später bekam ver.di erneut eine Einladung vom Betriebsrat. Daraufhin hat der Geschäftsführer beim Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren einleiten lassen, um zu klären, ob das Busunternehmen unter Hinweis auf Corona einer Gewerkschaftsvertreterin das Betreten des Firmengeländes verwehren dürfe. ver.di hat mit einer Aktion vor dem Rathaus reagiert und dort Flugblätter verteilt. Bürgermeister Joachim Kölz ließ sich nicht blicken.
Der Kammertermin ist am 24. September. "Das wird ein Elfmeterschießen ohne Torwart", sagt Tedesco. Es gebe kein Gesetz, das ver.di den Zugang verbieten könne. Verärgert ist sie darüber, dass der Geschäftsführer wiederholt Auseinanderset- zungen vor Gericht trägt. "Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass Betriebsräte mit Arbeitgebern vor Gericht streiten. Spillmann ruft aber immer wieder die Einigungsstelle an und verbrennt Geld. Das kann auch die Stadt als Eigentümerin nicht gutheißen und darf es nicht zulassen, wenn gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen wird", so Tedesco.
In der bevorstehenden Manteltarifrunde geht es um Pausenregelungen, Arbeitszeiten, Lohnzuschläge, Urlaubsansprüche und die Jahressonderzahlung. Die Beschäftigten stehen hinter dem Betriebsrat und haben das in Gesprächen ausdrücklich bekundet. "Geschäftsführer Bülent Menekse sollte den Betriebsräten auf Augenhöhe begegnen", betont Tedesco.