Ausgabe 07/2020
Erstmal aufgeatmet
Von der Streichliste, in letzter Sekunde. Sie haben gekämpft für ihren Karstadt auf der Frankfurter Zeil. Mit Kundgebungen, Demos, Gesprächen mit der Politik, Betriebsversammlungen. Und am Ende hatten sie Erfolg. Bis Januar 2025 geht das Geschäft erst einmal weiter. Das hat der Frankfurter Planungsdezernent Mike Josef mit dem Eigentümer Signa und dem Vermieter ausgehandelt. Ohne einen unermüdlichen Betriebsrat wäre das nicht möglich gewesen. Norbert Sachs ist seit 2010 Betriebsratsvorsitzender.
ver.di publik: Wie hat sich die Stimmung seit der positiven Entschdeidung bei den Beschäftigten entwickelt?
Norbert Sachs: Natürlich sind die Mitarbeiter*innen immer noch froh, dass sie nicht in eine Transfergesellschaft wechseln mussten oder arbeitslos geworden sind. Dennoch haben die letzten drei Monate Spuren hinterlassen. Wer diese Entwicklung hautnah miterleben musste, dem wurde einiges abverlangt. Die Filiale wurde auf Vermarktung umgestellt. Wir haben eine Metamorphose durchlaufen. Von der durch Visual Merchandising, also einer ansprechend geprägten Warenpräsentation hin zum heillosen Durcheinander eines Ein-Euro-Ladens, von unseren Stammkunden hin zum Schnäppchenjäger. Die Leichenfledderei hielt Einzug. Aus den Lautsprechern kamen Durchsagen, dass diese Filiale schließt und alles raus muss. Die verbliebenen Mitarbeiter*innen kamen an den Rand ihrer Kräfte. Diese drei Monate und vor allem unseren Kampf um die Weiterführung der Filiale und den Erhalt unserer Arbeitsplätze wird keiner von uns jemals vergessen.
ver.di publik: Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Norbert Sachs: Die Stadt Frankfurt will für die Innenstadt ein Zukunftsprojekt entwickeln. Das ist insbesondere für die nördliche Zeil auch absolut notwendig. Bei der Entwicklung sollen auch die angesiedelten Firmen und deren Betriebsräte einbezogen werden. Wenn das tatsächlich so kommt und unsere Vorstellungen, Ideen und Anregungen zumindest teilweise umgesetzt werden, dann wird die Innenstadt belebt und der stationäre Einzelhandel wird das am Umsatz spüren.
ver.di publik: Der Frankfurter Planungsdezernent Mike Josef sagte, er könne sich vorstellen, dass Karstadt erhalten bleibe, aber in "kompakterer Form". Wie könnte so etwas aussehen?
Norbert Sachs: Es wäre zu früh, sich hierüber Gedanken zu machen. Wir wissen nicht, wie sich unser Unternehmen in den kommenden Jahren entwickelt, wie ein Zukunftskonzept genau aussehen wird oder welche Strategie in Planung ist. Wichtig für uns ist heute, dass ein Mietvertrag bis Ende Januar 2025 unterschrieben wurde. Natürlich wünschen wir uns eine Fortführung der Filiale über diesen Termin hinaus.
Interview: Ute Fritzel
Das Interview in voller Länge auf