Morgens früh, wenn es im Herbst draußen dunkel ist, ein leichter Wind das Laub über die Straßen fegt, sind wir für dich da. Mittags, wenn im Sommer die Hitze unerträglich wird, sind wir für dich da. Im Winter sind wir bei Schnee und Eis für dich da. Wenn du gefeiert hast und danach müde ins Bett fällst, sind wir für dich da. Wenn du vor lauter Dingen, die du über viele Jahre angehäuft hast, nicht weißt, wohin damit, sind wir für dich da.

Wir kümmern uns darum, dass dein Müll entsorgt, recycelt oder deponiert wird. Einen Teil deines Mülls liefern wir in Müllverbrennungsanlagen, wodurch dann viele Häuser beheizt werden und Strom erzeugt wird. Wir sind immer zuverlässig für dich da, selbst während des "Lockdowns".

All das tun wir für dich. Wir sind ohne Unterbrechung für dich da, damit dein Müll nicht dein Problem ist. Wir bekommen dafür einen Lohn, der kaum zum Leben reicht in einer der teuersten Städte Deutschlands. Wertschätzung und Anerkennung erfahren wir nur selten für eine in unserer Gesellschaft sehr wichtige Tätigkeit. Nun fordern wir eine bessere Vergütung, aber von unserem Arbeitgeber ernten wir nur Missachtung und Ablehnung. Die Bevölkerung reagiert teilweise mit Unverständnis, sagt, wir sollten froh sein, dass wir einen Job haben, dass andere schließlich in Kurzarbeit seien oder ihre Arbeit verloren hätten.

Okay Leute, ist das wirklich euer Ernst? Im März und April habt ihr noch geklatscht, und jetzt bekommen wir eine Klatsche? Die Stadt Stuttgart hatte bis zum Beginn der Pandemie keine Schulden und von 2016 bis 2019 jedes Jahr einen Überschuss zwischen 200 und 500 Millionen Euro. Die Bundesregierung plant 2022 wieder mit Steuereinnahmen wie vor Corona. Und niemandem, der seinen Job verloren hat, ist damit ge- holfen, wenn wir real weniger Geld verdienen.

Unser Wirtschaftssystem funktioniert nur, wenn das Geld fließt. Es ist ein Konjunkturprogramm, wenn rund 2,3 Millionen Menschen, also die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bundesweit, mehr Geld für ihre Arbeit erhalten, mit dem sie dazu beitragen, die Gesellschaft am Laufen zu halten. Denn anders als Unternehmer und Reiche geben wir unser Geld aus und kurbeln so die Wirtschaft an. Nebenbei gibt es weiterhin einen Fachkräftemangel, dem damit ebenso entgegengewirkt werden kann – denn da, wo die Gehälter und die Arbeitsbedingungen stimmen, finden sich auch neue Mitarbeiter*innen.

Und da Lohnerhöhungen nicht einfach gezahlt werden und es nichts geschenkt gibt, streiken wir für unsere Forderung nach 4,8 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 150 Euro.

Das stört dich? Dann müssen wir den Beginn dieses Artikels etwas berichtigen. Alle paar Jahre kann es mal sein, dass an ein oder zwei Tagen der Müll nicht abgeholt wird, denn wir müssen uns unsere Anerkennung erkämpfen. Von Applaus alleine können wir keine Mieten und Lebensmittel bezahlen.

Jakob Becker

Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Ver- und Entsorgung, ver.di Stuttgart