München – Anfang des Jahres gab's eine Premiere in Sachen Streikversammlung: Die Streikenden beim TÜV Süd haben sich coronabedingt nicht öffentlich, sondern digital versammelt. Organisiert hat das Ganze ver.di-Gewerkschaftssekretärin Laura Pulz.

ver.di publikLaura, was können wir uns unter einer digitalen Streikversammlung vorstellen?

Laura Pulz – Beim TÜV Süd war schnell klar, dass wir ohne Druck nicht weiterkommen. Aber Streik nur auf dem Sofa war keine Option. Wir haben deshalb zu einer digitalen Konferenz eingeladen. Mit Mural, einem digitalen Whiteboard, hatten dann alle Teilnehmenden die Chance sich einzubringen. Das funktioniert wie eine Pinnwand im Internet. So konnten sie sich informieren, über die Tarifverhandlungen und natürlich über ver.di. Vierhundert Menschen haben sich eingeloggt, das war ein absoluter Erfolg.

ver.di publikIst da so etwas wie ein Gemeinschaftserlebnis entstanden?

Pulz – Absolut. Die Menschen sind sich digital begegnet. Sie konnten sehen, wie viele im Streik waren. Sie hatten auch die Chance sich auszutauschen. Das Schöne war, wie schnell die Menschen die technischen Möglichkeiten angenommen haben. Wir haben sehr positive Rückmeldungen bekommen. Viele waren sehr froh, dass es dieses Angebot gab.

ver.di publikWas habt ihr inhaltlich in dieser digitalen Streikversammlung besprochen?

Pulz – Wir haben die Teilnehmenden unter anderem gefragt, was für die nächste Verhandlungsrunde wichtig ist. Das war natürlich für die Tarifkommission super. Sie konnten mit O-Tönen vom Streik in die Verhandlungen gehen.

ver.di publikKann das ein Modell für die Zukunft werden, eine Streikform nach Corona?

Pulz – Absolut. Ich glaube, dass das Streiken vielseitiger werden muss. Ich liebe Streikdemos, aber sie sind nicht immer das beste Mittel der Wahl. Eine Teilnahme an einem digitalen Streik kann leichter fallen – das gilt es zu nutzen. Wir haben einfach an Flexibilität und Möglichkeiten gewonnen. Allerdings darf auch nicht vergessen werden: Digitale Angebote sind oft ein Privileg. Die Teilnahme ist auch mit Hürden verbunden, was zum Beispiel die Ausstattung und Nutzung angeht. Das mitzudenken und zu lösen, bleibt unsere Aufgabe. Interview: Heinrich Birner