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Streik im Betrieb – natürlich mit AbstandFoto: ver.di Stuttgart

Wie können wir als Gewerkschaft eine Tarifauseinandersetzung so gestalten, dass ein Arbeitskampf seine nötige Wirkung zeigt, obwohl alle Beschäftigten, die nicht vor Ort im Betrieb unabdingbar sind, aktuell von Zuhause aus arbeiten? Wie auch in der privaten Energiewirtschaft. Die größte Herausforderung ist die Erreichbarkeit der Menschen und die Mobilisierung zum Streik.

In der Tarifrunde der privaten Energiewirtschaft zu Beginn dieses Jahres bedurfte die Auseinandersetzung aufgrund der Heimarbeit vieler digitaler Formate, um die Menschen zu informieren, zu beteiligen und zu begeistern. Die meisten Mitgliederversammlungen zur Vorbereitung der Verhandlungen fanden per Videokonferenz statt. Eine Online-Beschäftigtenbefragung bezog die gesamte Belegschaft ein, auch Nicht-Mitglieder. Jeder Schritt war durch eine Videobotschaft begleitet worden, und im Januar 2021 hat die Tarifkommission auf Grundlage der Diskussion in allen Betrieben die Forderung beschlossen.

Alle trugen zum Erfolg etwas bei

Die Kolleg*innen hatten die Möglichkeit, über unseren Plakatgenerator ein Foto von sich hochzuladen, das anschließend Teil einer Webgalerie wurde und zugleich in den Betrieben ausgehängt wude. So trugen alle etwas zum Erfolg der Verhandlungen bei.

Nach jeder Verhandlung fand eine Videokonferenz mit 180 bis 200 ver.di-Vertrauensleuten statt, in der sie über den Stand der Verhandlungen und die Verhandlungsstrategie informiert wurden. Sie konnten Fragen stellen, diskutieren und ihre Ideen einbringen.

In den ersten beiden digitalen Verhandlungstreffen mit den Arbeitgebern konnte von Verhandlungen nicht die Rede sein. Es war klar, dass wir zu Warnstreiks würden aufrufen müssen. Nach der dritten Verhandlungsrunde fand dann der erste sogenannte hybride Streik in der privaten Energiewirtschaft statt. Wir riefen tausende von Beschäftigten dazu auf, im Homeoffice und vor Ort zu streiken, und zwar klassisch mit allem, was dazu gehört. Streikaufruf und Arbeitsniederlegung, Kundgebung mit verschiedenen Redner*innen, mit einer Band für die Stimmung und Statements aus der Belegschaft. Kamerateams waren in den Betrieben vor Ort, und Kolleginnen und Kollegen wurden aus dem Homeoffice live zugeschaltet.

Die Kundgebung wurde live aus einem Studio in Ludwigsburg übertragen. Ein echter Streik also, aber eben digital im Netz. Die Resonanz aus der Belegschaft war riesig, das zeigten nicht nur die etwa 1.000 Zuschauer und fast 800 Kommentare im Live-Chat, sondern auch tausende Klicks nach Ende der Kundgebung. Die größte Überraschung aber waren hunderte von persönlichen Nachrichten und Statements aus der Belegschaft. Eine Zusammenfassung zu den vielen Aktivitäten und zum Hybridstreik findet ihr hier: youtu.be/G5F5U81oIeA

In unserem Youtube-Kanal von ver.di Baden-Württemberg findet ihr auch die Kundgebung und alle Videoclips.

Der Streik

All das hat dazu beigetragen, dass wir in der vierten Verhandlungsrunde ein gutes Ergebnis erzielt haben. Es beinhaltet unter anderem die Erhöhung des jährlichen Mitgliederbonus von 250 auf 400 Euro, zwei Entgelterhöhungen von 2,1 Prozent und 1,6 Prozent, eine steuer- und sozialabgabenfreie Einmalzahlung mit einer sozialen Komponente von bis zu 700 Euro und ein ordentliches Paket für die Auszubildenden.

Einige Kolleginnen und Kollegen konnten wir begeistern und als neue ver.di-Mitglieder gewinnen. Das Ergebnis werden wir nun dazu nutzen, alle noch nicht Organisierten anzusprechen und auch für ver.di zu gewinnen. Damit wir auch in der nächsten Runde gute Ergebnisse erzielen können.