Die Corona-Krise ist teuer. Allein der Bund dürfte insgesamt Kredite von 400 Milliarden Euro aufnehmen, um die Folgen der Pandemie abzufedern. Das ist eine Menge Geld, so dass sich viele Deutsche besorgt fragen, was mit dem neuen Schuldenberg passiert, wenn die Corona-Krise überstanden ist. Werden dann die Steuern erhöht, damit der Staat die Darlehen wieder zurückzahlen kann?

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Ulrike Herrmann ist Wirtschaftsjournalistin bei der Tageszeitung taz und freie PublizistinGottschalk/ddp images

Dieses Szenario ist unwahrscheinlich, wie die Vergangenheit zeigt: Die Corona-Pandemie lässt sich mit der Finanzkrise ab 2008 vergleichen. Auch damals brach die Wirtschaft dramatisch ein, und der Staat musste hohe Schulden machen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln und die Beschäftigten abzusichern. Trotzdem wurden die Steuern damals nicht erhöht. Stattdessen hoffte der Staat auf Wachstum, und dieses Kalkül ging auf. Nach der Finanzkrise legte die deutsche Wirtschaft in nur zwei Jahren um insgesamt 8,3 Prozent zu. Ein derartiger Schub wird sich auch nach der Pandemie einstellen. Millionen Menschen wollen ihren Urlaub nachholen, wieder Feste feiern und gemütlich einkaufen gehen. Sobald aber die Wirtschaftsleistung steigt, nimmt die Last der Schulden relativ ab.

Es ist ein Privileg, dass Deutschland reich ist und enorme Summen mobilisieren kann

Die gesamte Nachkriegsgeschichte zeigt: Der Staat zahlt seine Kredite nicht wirklich zurück, sondern sie verlieren an Bedeutung, wenn die Wirtschaft wieder anzieht. In Deutschland muss sich also niemand Sorgen machen, dass er demnächst höhere Steuern ans Finanzamt abführen muss. Es wäre sogar kontraproduktiv, wenn der Staat anfinge, seine Schulden zu tilgen. Denn er bekommt die Kredite umsonst. Die Bundesrepublik zahlt derzeit Minuszinsen, sodass die Regierung sogar noch Geld geschenkt bekommt, wenn sie Darlehen aufnimmt. Es ist ein Privileg, dass Deutschland reich ist und enorme Summen mobilisieren kann, um die Corona-Krise zu bewältigen.

Doch vielen Bürger*innen ist die Geldschwemme trotzdem nicht geheuer, denn sie fürchten eine Inflation. Und tatsächlich liegt die Geldentwertung derzeit auf Rekordniveau: Im August stiegen die Preise um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings hatte diese Inflation nichts damit zu tun, dass der Staat Kredite aufgenommen hatte. Stattdessen machte sich bemerkbar, dass Energie und Nahrungsmittel teurer wurden. Zudem ist ein rein statistischer Effekt zu verzeichnen: Um den Konsum in der Corona-Krise anzukurbeln, hatte der Bund die Mehrwertsteuer befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gesenkt. Seit Januar 2021 gelten die regulären Mehrwertsteuersätze, so dass Waren und Dienstleistungen tendenziell also wieder teurer werden.

Deutschland hat insofern Glück. Die Corona-Krise ist heftig, aber ökonomisch beherrschbar. Das ist in vielen Teilen der Welt anders. Dort haben die Regierungen nicht das Geld, Arbeitslose zu unterstützen oder die Konjunktur anzukurbeln. Selbst die Impfstoffe können sich viele Staaten nicht leisten. Die Nichtregierungsorganisation Oxfam hat daher gefordert, eine "Notabgabe auf Milliardärsgewinne" zu erheben. Einmalig sollen die Mega-Reichen 99 Prozent der Gewinne abführen, die sie während der Corona-Pandemie verbucht haben. Damit ließen sich nicht nur sämtliche Impfungen weltweit finanzieren, sondern auch alle Arbeitslosen dieser Erde könnten einen Zuschuss von 20.000 US-Dollar erhalten.

Die Forderung ist sympathisch, aber weltfremd. Bisher gelingt es ja nicht einmal, die regulären Steuern einzutreiben, die Milliardäre und Konzerne eigentlich zahlen müssten. Steuerflucht und Steuergestaltung haben epidemische Ausmaße angenommen. Natürlich ist es ein Skandal, dass Steueroasen existieren und dass auch EU-Länder wie Luxemburg, die Niederlande oder Irland glauben, dass es ein gutes Geschäftsmodell sei, die Steuereinnahmen der Nachbarn zu klauen. Aber dieser Missstand lässt sich, wenn überhaupt, nur schrittweise bekämpfen. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, arbeitet schon daran. Und wie immer dieser Prozess schließlich endet: In den nächsten Monaten ist jedenfalls nicht mit zusätzlichen Milliarden Dollar zu rechnen, die die Milliardäre in die Staatskassen abführen. Der globale Süden benötigt aber jetzt Hilfe. Sofort.

Bleibt nur ein Weg: Reiche Staaten wie Deutschland müssen noch mehr Kredite aufnehmen, um den Impfstoff für die Ärmsten zu bezahlen. Wir können uns das leisten, denn der Bund bekommt ja, wie gesagt, sogar Geld geschenkt, wenn er Darlehen aufnimmt. Und eine gute Investition wäre es auch, weil die Pandemie erst enden wird, wenn alle Menschen geimpft sind. Auch die Armen.