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Erspartes ausgeben ist nur eine LösungFoto: Christian Jungeblodt

Es gibt schon lange keine Zinsen mehr auf Sparguthaben. Mittlerweile müssen viele Sparer*innen sogar draufzahlen, wenn sie zu viel Geld auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto haben. Ein Luxusproblem für Besserverdienende? Wohl kaum, denn die wirklich Reichen schaffen es immer, Vermögen vor unerwünschten Zugriffen zu sichern und profitabel anzulegen. Betroffen von der Banken-Abzocke sind eher Menschen, die beherzigt haben, was gerne propagiert wird: Eine Reserve für schlechte Zeiten und zur Aufbesserung der ungewissen Altersrente anzusparen. Doch das kann richtig etwas kosten.

Lange schien die Sache klar: Wer spart, bekommt Zinsen. Je nach Art der Anlage konnten die recht üppig ausfallen – beim Festgeld, bei Sparbriefen oder -verträgen. Doch solche Art der Geldvermehrung ist inzwischen passé. In dem Maße, in dem die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn aufgedreht hat, um den Geschäftsbanken günstige Kredite zu verschaffen, wurde klassisches Sparen zum Auslaufmodell. Institute, die bei der EZB Geld "parken", müssen seit 2014 dafür Zinsen zahlen.

Verwahrentgelt klingt etwas besser

Vor einigen Jahren begannen die ersten Banken und Sparkassen, auch von ihren Kund*innen ein "Verwahrentgelt" zu erheben – nach Ankündigung und ab einem bestimmten Guthabenbetrag. Schnell machte die Methode Schule. Mittlerweile lassen sich fast alle Geldinstitute dafür bezahlen, dass sie die Ersparnisse ihrer Kundschaft aufbewahren. Verwahrentgelt hört sich freundlicher an als Negativzinsen – ist aber das Gleiche.

Bezahlen für das Aufbewahren des eigenen Geldes müssen viele Kund*innen etwa der Commerzbank, der Deutschen Bank, der DKB, der ING, Comdirect, Postbank sowie vieler Sparkassen und Volksbanken. Das, was die Banken der EZB an Negativzinsen zahlen, wollen sie sich von ihren Privatkund*innen zurückholen und kassieren nach Angaben des Informationsdienstes Finanztip meistens –0,5 Prozent jährlich fürs Aufbewahren ab 25.000, 50.000 oder 100.000 Euro auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto. In Einzelfällen werden sogar –1 Prozent fällig.

Ein Beispiel: Bei der ING (früher: ING-Diba) wird für alle Giro- und Tagesgeldkonten, die ab dem 4. November 2020 eröffnet worden sind, ein Negativzins von –0,5 Prozent pro Jahr berechnet, sofern mehr als 100.000 Euro auf dem Konto sind. Für jeden Euro über diesem Freibetrag wird der Negativzins fällig. Hat also jemand 125.000 Euro auf einem Konto liegen, fallen für die 25.000 Euro über dem Freibetrag im Jahr 125 Euro Negativzinsen an. Inzwischen hat die ING den Freibetrag zum November dieses Jahres auf 50.000 Euro für Giro- und Tagesgeldkonten gesenkt, die nach dem 6. Juli eingerichtet wurden. Betroffen sind auch Bestandskund*innen, die einer Vereinbarung über Negativzinsen zugestimmt haben. Wer die Vereinbarung nicht unterschreibt, riskiert eine Kontenkündigung.

Dürfen die Banken das?

Dabei ist strittig, ob Banken überhaupt Negativzinsen auf Tagesgeldkonten erheben dürfen. Laut Finanztip können Banken zwar bei dieser Anlageform den Zinssatz verändern. Das Landgericht Tübingen entschied allerdings im Januar 2018, dass bei Altverträgen aus positiven oder keinen Zinsen nicht plötzlich Negativzinsen werden dürfen (AZ 4 O 187/17). Für Neuverträge sei das hingegen möglich, so das Gericht.

Die Verbraucherzentrale Sachsen und die Verbraucherzentrale Bundesverband führen derzeit insgesamt sechs Gerichtsverfahren wegen der Negativzinsen gegen verschiedene Banken und Sparkassen. Danach hat das Landgericht Leipzig am 8. Juli dieses Jahres Negativzinsen, die die Sparkasse Vogtland für Neu- wie für Bestandskonten erhebt, für rechtmäßig erklärt. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat dagegen Berufung eingelegt.

Sehr weitreichend ist das jüngste Urteil des Landgerichts Berlin zu Negativzinsen der Sparda-Bank Berlin, gegen die die Verbraucherzentrale Bundesverband geklagt hatte. Das Gericht entschied am 16. November, dass die Bank weder auf Tagesgeld- noch Girokonten Verwahrentgelte erheben dürfe und bereits einbehaltene Beträge erstatten müsse. Ob das Urteil Bestand hat, wird aber erst eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes zeigen. Ebenfalls gerichtlich muss aus Sicht der Verbraucherschützer geklärt werden, ob es rechtswidrig sei, sowohl Kontoführungsgebühren als auch Negativzinsen für ein Girokonto zu erheben, wie es verbreitet vorkommt.

Die Gebührenschraube

Denn schon vor der Einführung der Negativzinsen haben viele Banken und Sparkassen an der Gebührenschraube für Girokonten gedreht – unabhängig vom Kontobetrag. "Hohe Kontoführungsgebühren des Girokontos sind zwar keine Negativzinsen im eigentlichen Wortsinn", schreibt Finanztip. "Faktisch führen sie aber dazu, dass das Guthaben kleiner wird." Die Geldexperten rechnen vor, dass eine Jahresgebühr von 150 Euro bei einem durchschnittlichen Guthaben von 3.000 Euro eine "Rendite" von –5 Prozent bedeute. Ein Vergleich der Kosten für Gebühren und Negativzinsen lohne sich immer. Auch bei Tagesgeldkonten werden oft Gebühren erhoben, etwa 1,90 Euro monatlich für das "Tagesgeld Plus" bei der Comdirect bei 0 Prozent Zinsen oder mindestens 5 Euro im Monat beim Tagesgeldkonto der VR-Bank Niederschlesien in Görlitz.

Die wichtigsten FAQs

Was tun gegen Negativzinsen?

Wer den Banken nicht einen Teil seiner Ersparnisse schenken möchte, muss aktiv werden. Die Unterschrift unter eine entsprechende Vereinbarung zu verweigern, ist keine gute Idee, da das Geldinstitut dann möglicherweise das Konto kündigt. Besser: Beträge oberhalb des Freibetrages auf andere Konten überweisen. Dabei ist zu beachten, dass die Konditionen für Neukund*innen oft schlechter sind als für die bestehende Kundschaft. Auf

Die meisten Banken schlagen bei Ankündigung des Verwahrentgelts selbst vor, das überzählige Geld anders anzulegen. Zumeist empfehlen sie Aktienfonds. Auch Finanztip rät Sparer*innen, Guthaben zum Teil als Tages- sowie Festgeld und in einem günstigen Aktienfonds anzulegen. Billiger als bei den Geschäftsbanken sei es, ein Wertpapierdepot für den Aktienfonds bei einer Direktbank einzurichten.

Keine Alternative ist es aus Sicht der Experten von Finanztip, große Bargeldmengen abzuheben. Wird es in einem Schließfach verwahrt, bedeutet das ebenfalls zusätzliche Kosten. Wer es unter die Matratze oder in die Schublade packt, verliert im Fall eines Wohnungseinbruchs oder Feuers möglicherweise die gesamten Ersparnisse.

Schulden machen statt Sparen?

Wenn die Banken mit Negativzinsen Geld verdienen, könnte jede*r das nachahmen. Einen Kredit aufnehmen – und später eine geringere Summe zurückzahlen erscheint als gutes Geschäft. Leider eines mit Haken. So begrenzen viele Banken den Kreditbetrag auf 1.000 Euro, und die Rückzahlung zieht sich teilweise über Jahre hin. Dafür bekommt der Kreditgeber umfangreiche Einblicke in persönliche Daten wie in die Kontoauszüge.

Eine Alternative – zumindest für Immobilienbesitzer*innen oder Häuslebauer – kann die Geldaufnahme bei der Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sein, denn auch sie gibt Negativzinsen an die Kreditnehmer weiter. Beachtet werden müssen beim Bau oder der Sanierung allerdings Auflagen zur Energieeffizienz.

Warum sollten Politik und Banken handeln?

In der – nicht wirklich – guten alten Zeit gab es zum Teil hohe Zinsen auf Spareinlagen. Doch auch die Inflation war sehr hoch, was den realen Zinsgewinn stark minderte. Bis 2020 lagen die Zinsen auf Guthaben zwar fast überall maximal knapp über 0 Prozent. Dafür war die Preisentwicklung stabil, so dass die Ersparnisse nicht allzu sehr unter Druck gerieten. Nun jedoch werden Spareinlagen oberhalb der Freibeträge mit Negativzinsen belegt. Und zumindest aktuell steigen die Preise für Strom, Gas und Benzin ebenso wie die für viele Lebensmittel. Spätestens an dieser Stelle sind Politik und Zentralbanker gefragt, geldpolitisch gegenzusteuern.

Ausführliche Informationen und Ratschläge rund ums Geld auf finanztip.de sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband: vzbv.de oder auf den Internetseiten der Verbraucherzentralen der Länder, zum Beispiel der Hamburger unter vzhh.de/themen/finanzen/sparen-geldanlage/was-tun-bei-negativzinsen