Für Beschäftigte mit Migrationshintergrund

Deniz Dursun ist Sachverständiger im Betriebsrat Deutsche Post AG in Hamburg

"Ich habe eine besondere Aufgabe im Betriebsrat, als Sachverständiger kümmere ich mich besonders um die Kolleg*innen mit Migrationshintergrund, von denen es bei den Paketzusteller*innen zirka 80 Prozent, im Paketzentrum sogar rund 90 Prozent gibt.

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Vor der Verschmelzung mit der Deutschen Post war ich seit der Wahl 2016 freigestelltes Betriebsratsmitglied bei DHL Delivery in Hamburg. Im kommenden Jahr trete ich auf der ver.di-Liste bei den BR-Wahlen hier im Betrieb an. Meine Arbeit im Betriebsrat macht mir große Freude.

Natürlich gibt es einen ganzen Berg an Problemen – beispielsweise die sprachliche Verständigung mit Kolleg*innen aus der EU und außerhalb. In der Paketzustellung und in den Paketzentren arbeiten viele aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und afrikanischen Ländern. Geflüchtete, die nicht immer Deutsch oder Englisch sprechen. Da suche ich dann nach Kolleg*innen, die sprachlich vermitteln können. Viele dieser Beschäftigten sind mittlerweile gut angekommen in ihrem Alltag und in ihrer Arbeit. Sie sind zufrieden, weil sie es geschafft haben, aus einem Kriegsgebiet zu entkommen und hier in einem befristeten oder unbefristeten Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten. Aber natürlich sind regelmäßig Fragen zu klären, die sich aus den kulturellen Unterschieden ergeben. So kostet es regelmäßig Überzeugungsarbeit, um diese Kolleg*innen für eine ver.di-Mitgliedschaft zu werben. Es dauert, ihnen begreiflich zu machen, dass Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen ebenso wie Tarifentgelt und Sonderzahlungen nicht einfach so existieren, sondern von der Gewerkschaft und dem Betriebsrat hart erkämpft werden mussten. Letztlich sind Geduld und eine Vertrauensbasis wichtig, damit sich die Kolleg*innen für die Gewerkschaft entscheiden.

Dass die Arbeitsbedingungen in der Paketzustellung sehr hart sind, ist inzwischen bekannt. Ich würde mir wünschen, dass der Arbeitgeber die Neuankömmlinge besser und länger einarbeitet; im Moment sollen sie nach zehn Tagen alleinverantwortlich die Zustellung bewältigen – und das im Großstadtverkehr. Da brauchen wir dringend Verbesserungen. Was mir im Arbeitsalltag hilft, ist die gute Vernetzung mit den Betriebsräten der Deutschen Post hier im Norden, in Lübeck, Kiel, Oldenburg, Bremen und Hannover. Der regelmäßige Austausch ist enorm wichtig. Und auch die Verbindung zu ver.di ist eng und gut."

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Für den Schutz von Tarifverträgen

Karin Topel ist Betriebsratsvorsitzende bei Deutsche Telekom Technik, Niederlassung Ost

"Mein Berufsleben begann in Leipzig. Ab 1980 habe ich hier beim Fernmeldeamt der DDR eine Ausbildung zum Facharbeiter für Nachrichtentechnik gemacht. In der Wendezeit 1989/90 war ich die erste Frau, die bei der Bundespost in Stuttgart einen Qualifizierungskurs zum Thema Digitalisierung von Vermittlungsstellen absolviert hat. In der DDR war ein hoher Frauenanteil im Technikbereich üblich. Heute sind die Frauen bei uns eher im Innendienst; im Netzausbau arbeiten vorwiegend Männer. Ich setze mich für eine Erhöhung des Frauenanteils in allen Bereichen ein. Auf Leitungsebene sollte es meines Erachtens eine verbindliche Quote geben.

Dass ich Gewerkschaftsmitglied wurde, war für mich selbstverständlich. Ab 1996 gehörte ich dem Betriebsrat an, erst als nicht-freigestelltes Mitglied, ab 2002 freigestellt, und seit 2004 bin ich Vorsitzende des Gremiums. Mein besonderes Interesse galt immer den von ver.di ausgehandelten Tarifverträgen, denn damit können vereinbarte Leistungen für alle abgesichert werden. Ich habe mir im Lauf der Jahre angeeignet, worauf es bei ihrer Aushandlung und Formulierung ankommt.

Von den Auswirkungen der Corona-Pandemie profitiert die Telekom, weil die Menschen mehr telefonieren und viele Videokonferenzen abhalten. Wir sind hier für Netzausbau und -wartung zuständig; die Arbeit geht uns nicht aus. Deshalb müssen wir Betriebsräte besonders auf den Schutz der Kolleg*innen vor Überlastungen achten. Wir wollen gemeinsam mit ver.di ein Formular für Belastungsanzeigen erarbeiten. Bisher wurden solche Meldungen von den Vorgesetzten teilweise nicht ernst genug genommen, wir hoffen, dass das anders wird, wenn sie schriftlich vorliegen.

Klar ist, dass wir mehr Personal brauchen, um die vielen Aufgaben zu bewältigen. Vor allem die Zahl der Übernahmen von Nachwuchskräften sollte erhöht werden. Der Arbeitgeber tut so, als sei 2030 der Ausbau der Netze abgeschlossen und kein Personalzuwachs mehr nötig. Dabei geht die technische Entwicklung immer weiter.

Im Bereich der Künstlichen Intelligenz wollen wir auf Konzernbetriebsratsebene mit dem Arbeitgeber ein Manifest aushandeln. Darin wollen wir uns unter anderem für die Abwehr von Gefahren einsetzen, die damit für die Beschäftigten verbunden sind, etwa bei der Gesichtserkennung."

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Für bessere Bedingungen in und nach der Ausbildung

Beatrice Voges ist Betriebsrätin beim Edeka-Center Springe und stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende beim Edeka Markt Minden-Hannover GmbH

"Sehr wichtig in unserer Arbeit war in letzter Zeit das Projekt Ausbildungsoffensive. Wie fast alle Unternehmen hat auch die Edeka Markt Minden-Hannover GmbH zunehmend Schwierigkeiten, passende Auszubildende zu finden. So haben wir gemeinsam mit dem Arbeitgeber, mit Anwälten und mit ver.di während eines zweitägigen Workshops zusammengetragen, was neu geregelt werden sollte. Es zeigte sich, dass wir gar nicht weit auseinander liegen mit unseren Einschätzungen zu Verbesserungen bei der Ausbildung. Schließlich haben wir eine Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen, die seit dem 1. August 2021 in Kraft ist und von der etwa 700 Nachwuchskräfte profitieren, die hier jedes Jahr eine Ausbildung beginnen.

Neu regeln konnten wir die Übernahme nach Abschluss der Ausbildung. Wer die Prüfung mit einer 1 oder 2 besteht, wird unbefristet und in Vollzeit beschäftigt. Bei einer 3 haben die Absolvent*innen die Chance, sich in einer zunächst auf ein Jahr befristeten Anstellung zu beweisen und anschließend aus einem Pool heraus ebenfalls auf eine unbefristete Stelle zu bewerben. Außerdem konnten wir verbindliche Regeln für die Anfangsphase der Ausbildung festlegen, so dass die Auszubildenden ihre Aufgaben in einem strukturierten Ablauf kennenlernen.

Ganz wichtig ist es, dass wir nun viel früher im Jahr mit der Suche nach Auszubildenden beginnen: Sie startet im Januar und soll im März abgeschlossen sein. Früher waren wir oft zu spät dran und haben dann nicht gerade die besten Bewerber*innen gefunden. Alle Markt- und Bezirksleiter*innen des Unternehmens kennen die Vereinbarung. Ob sie die allerdings auch überall in die Praxis umsetzen, weiß ich nicht."

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Für mehr Personal im Klinikum

Gunhild Werling ist stellvertretende Betriebsratsvorsitzende beim Helios Klinikum Schleswig

"Unsere Arbeit im Betriebsrat ist seit Jahren durch Strukturveränderungen geprägt, die sich aus der Krankenhaus-Finanzierung ergeben. Zum Glück sind seit zwei Jahren die Personalkosten ein eigenständiger Posten, der nicht mehr aus den Fallpauschalen finanziert wird. Aber auch zuvor waren wir immer hinterher, eine Mindestpersonalbesetzung auf den Stationen sicherzustellen. Dabei konnten wir inzwischen erkämpfen, dass Auszubildende nicht mehr kurzfristig überall dort einspringen müssen, wo es gerade einen Personalengpass gibt. Die weitreichenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei Fragen der Ausbildung gaben uns hier eine gute Handhabe.

Vor drei Jahren haben wir gemeinsam mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung genau dokumentiert, wie häufig Auszubildende kurzfristig versetzt wurden. Mit dieser Zusammenstellung konnten wir ein Urteil beim Arbeitsgericht erwirken, diese Praxis einzustellen. Seitdem können sich unsere pro Jahr etwa 60 Auszubildenden im Bereich Pflege und Medizinische Fachangestellte darauf verlassen, dass sie die verschiedenen Stationen und Abteilungen planmäßig durchlaufen.

Die Corona-Pandemie hat vor allem in der ersten Welle die üblichen Krankenhausabläufe beeinflusst. Viele geplante Operationen und Behandlungen wurden abgesagt. Sehr nah ging uns allen der Tod einer Pflegekraft durch Covid 19. In der vierten Infektionswelle sind die

regulären Leistungen nicht heruntergefahren worden. Allerdings mussten auch bei uns im Intensivbereich Kapazitäten reduziert werden, weil – wie in so vielen Krankenhäusern – Pflegekräfte weggegangen sind. Die Pandemie hat überdeutlich gezeigt, wie dringend die Krankenhausfinanzierung und die Personalbemessung verändert werden müssen, damit die Pflegekräfte endlich wirklich entlastet werden."

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Foto: privat

Für den Erhalt der Arbeitsplätze

Thomas Kühnl ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Commerzbank Nürnberg

"Seit vielen Jahren ist die Geschichte unserer Bank durch Stellenabbau geprägt. Das fing schon bei der Dresdner Bank an, aus der ich komme, und in der erst viele Stellen gestrichen wurden, bis sie schließlich mit der Commerzbank fusionierte. Glücklicherweise haben die Betriebsräte gemeinsam mit ver.di von Anfang an Sozialpläne und Interessenausgleiche entwickelt, um den Prozess abzufedern.

Letztes Jahr ging es im Zuge der ,Strategie 2024' um eine Reduzierung von 10.000 Stellen. Wir haben von Januar bis November über einen Rahmensozialplan und -interessenausgleich verhandelt und dabei eine Menge für die Kolleg*innen herausgeholt. So gibt es die Möglichkeit, sich auf freie Stellen versetzen zu lassen. Es wurden Qualifizierungsangebote vereinbart, ein Altersteilzeitmodell und schließlich auch gute Abfindungen.

Wegen der Corona-Pandemie fand der größte Teil der Verhandlungen vom Homeoffice aus statt. So konnte ich gleich noch vormittags eine unserer Töchter betreuen, als meine Frau in einer Grundschule ihrer Arbeit als Lehrerin nachging.

Die Aufgaben von Banken haben sich in den zurückliegenden Jahren stark verändert und damit auch die der Betriebsräte. Es geht nicht nur darum, anstehende Umstrukturierungen zu begleiten, sondern die neuen Aufgaben mitzugestalten. Konkret achten wir beispielsweise auf die Umsetzung der Kriterien für Gute Arbeit. Das betrifft etwa die Beratungscenter der Commerzbank, bei denen wir uns darum kümmern, dass die Arbeitsbelastung nicht zu groß wird. Die anstehenden Veränderungen sind vor allem durch technische Entwicklungen wie den Einsatz Künstlicher Intelligenz getrieben. Im Technikausschuss engagiere ich mich auch auf Gesamt- und Konzernbetriebsratsebene."

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Für Zusammenhalt im internationalen Unternehmen

Roger Wolf ist Vorsitzender des Betriebsrates Eschborn der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ( GIZ )

"Die Mehrzahl der GIZ-Beschäftigten ist hoch qualifiziert und mehrsprachig. Die Beschäftigten haben insgesamt 115 Nationalitäten. Doch das Anstellungsverhältnis war für viele wegen der bisher üblichen Befristungen unsicher. Hier haben die örtlichen Betriebsräte der Standorte Berlin, Bonn und Eschborn gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat aktuell Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber zur Entfristung ausgehandelt: Waren bisher rund 50 Prozent der Beschäftigten befristet angestellt, sind künftig 75 Prozent unbefristete Anstellungen vereinbart. Sachgrundlose Befristungen soll es überhaupt nicht mehr geben. Das ist ein wichtiger Erfolg.

In einer anderen Frage gibt es seit längerem einen Dissens zwischen dem GIZ-Vorstand und den Betriebsräten: über die Zahl der Mitarbeiter*innen, die durch uns vertreten werden. So sind dem Eschborner Betriebsrat rund 3.000 Inlandsmitarbeiter*innen, 220 Praktikant*innen, etwa 1.000 interne Auslandsmitarbeiter*innen, die zuvor schon in Eschborn gearbeitet hatten, und zirka 1.400 externe Auslandsmitarbeiter*innen mit deutschem Arbeitsvertrag zugeordnet, da der jeweilige Regionalbereich seinen Sitz in Eschborn hat. Während der Arbeitgeber bezweifelt, dass Auslandsbeschäftigte den Betriebsrat wählen dürfen, sehen wir ein klares Wahlrecht des Gros dieser Beschäftigtengruppe.

Von der Klärung dieser Frage hängt die Größe des Betriebsrates ab. Bisher hat er 21 Mitglieder, aber bei den Wahlen in diesem Jahr könnte er wegen der gestiegenen Beschäftigtenzahl möglicherweise 29 Mandate und mehr Freistellungen als bisher umfassen. Wir haben etliche neue Kandidat*innen für die Wahlen gefunden, sodass der Generationswechsel eingeleitet werden kann. Aber zunächst müssen die Wahlvorstände in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber klären, wie viele der Auslandsmitarbeiter*innen den Standorten zugeordnet werden. Wir hoffen auf eine baldige Einigung, um eine Auseinandersetzung vor Gericht zu vermeiden."

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Für die Anliegen der Frauen

Silke Gleitz ist Betriebsratsvorsitzende bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe ( VBK )

"Neben der ganzen üblichen Betriebsratsarbeit ist es mein besonderes Anliegen, mich für die Frauen im Betrieb einzusetzen. Leider liegt da noch viel im Argen, und so sind von insgesamt rund 1.500 Beschäftigten der VBK nur etwa 260 weiblich. Davon arbeiten die meisten in der Verwaltung.

Hauptgrund dafür, dass es so wenige Straßenbahn- und Busfahrerinnen gibt, sind die unattraktiven Arbeitszeiten. Die Schichten im Fahrdienst liegen so, dass die Kolleginnen Beruf und Kinderbetreuung nur schlecht miteinander vereinbaren können. Dabei wäre es möglich, den Schichtdienst frauen- bzw. familienfreundlicher zu organisieren. Aber natürlich wäre das nicht umsonst zu haben. Würde hier investiert, wären Vier-Stunden-Schichten möglich. Derzeit ist bei den VBK aus Kostengründen alles sehr knapp bemessen, und eine Schicht dauert oft mehr als fünf Stunden. Wenn das Kind aber aus der Schule oder der Kita abgeholt werden muss, passt das nicht. Neben den Arbeitszeiten müsste die Bezahlung verbessert werden.

Auch wurde einer Kollegin, die sich zur Verkehrsmeisterin fortbilden ließ und die nicht Schicht arbeitet, der Wiedereinstieg erschwert, nachdem sie ein Kind bekommen hatte. Nur dank unseres Einsatzes als Betriebsrat ist es gelungen, ihr die Rückkehr in den Dienst mit einer passenden Arbeitszeit zu ermöglichen.

Ich bin im 17. Jahr Betriebsratsmitglied und seit 2011 Vorsitzende des Gremiums. Mit Blick auf diese Zeit muss ich leider feststellen, dass es mit den jetzigen Bedingungen immer schwerer wird, Frauen zu motivieren, bei den VBK als Fahrerin oder in einer der Werkstätten anzufangen. Es wäre wichtig, auch für diese Bereiche endlich Frauen gezielt anzusprechen und für den Betrieb zu werben."

Protokolle: Gudrun Giese