Homeoffice.jpg
Damit die Kollegin im Homeoffice ihren Betriebsrat mitwählt, muss ihre Stimme gegebenenfalls direkt bei ihr zuhause eingesammelt werdenFoto: Ulrich Baumgarten/vario images

Dennis Brunke arbeitet bei Webhelp, einem international tätigen Callcenter-Unternehmen mit konzernweit knapp 4.000 Beschäftigten. Die Aufträge kommen unter anderem von großen Telekommunikationsunternehmen, Essenslieferanten, Paketdiensten oder Stromanbietern. Er ist seit zehn Jahren an einem der drei Standorte des Konzerns im Berliner Raum Mitglied des Betriebsrats. Zurzeit arbeiten 208 Beschäftigte an seinem Standort, in der Webhelp Deutschland GmbH sind es etwa 1.500. Am 30. März 2021 musste außerplanmäßig ein neuer Betriebsrat gewählt werden, da die Belegschaft dort seit der letzten Wahl um mehr als die Hälfte geschrumpft ist.

ver.di publikDurch Fusionen und Strukturveränderungen ändert sich bei euch die Zahl der Beschäftigten häufig. Du hast seit 2011 schon drei außerordentliche Betriebsratswahlen mitgemacht. Was war an der im vergangenen Jahr besonders?

Dennis Brunke – Unsere Wahl fiel genau in einen Lockdown. Es gab noch keine neuen Vorschriften, etwa was den Wahlvorstand anging. Wir haben also geschaut, wie wir unter Pandemiebedingungen wählen können, ohne dass der Gesetzgeber das schon angepasst hat.

Wie läuft Betriebsratsarbeit, wenn die Kolleg*innen weitgehend im Homeoffice sind?

Jede und jeder von uns, egal ob im Homeoffice oder am Standort, hat Microsoft Teams, und das nicht erst seit der Pandemie. Darüber funktioniert die Telefonie der Kolleg*innen untereinander; auch unsere Dateien werden über ein Microsoft-System verwaltet. Und auch als Betriebsrat haben wir schon vorher Teams genutzt, denn unsere Hauptgeschäftsleitung sitzt in Nürnberg.

Haben sich die Anforderungen an den Betriebsrat geändert durch die Pandemie?

Viele unserer Leute haben festgestellt, dass die Arbeit im Homeoffice sehr angenehm ist: kein Großraumbüro, weniger Lärm. Der große Streitpunkt ist, dass der Arbeitgeber fürs Homeoffice nichts zusätzlich zahlen will, also keine anteiligen Kosten für Strom etcetera. Bei uns sind die Leute meist auf Mindestlohnbasis oder nur knapp darüber beschäftigt. Da hätte eine solche zusätzliche Zahlung des Arbeitgebers von sagen wir 15 Euro im Monat zumindest einen symbolischen Wert. Es ist aber auch für uns als Betriebsrat schwer, weil noch nicht klar ist, was über das neugeschaffene Mitbestimmungsrecht in Paragraf 87 Ziffer 14 des Betriebsverfassungsgesetzes in dieser Sache tatsächlich noch geregelt werden kann.

B03_16081631T_pp.jpg
Betriebsrat Dennis BrunkeFoto: Privat

Wie reagiert der Arbeitgeber auf die Forderungen?

Der Arbeitgeber sagt, er hält ja Arbeitsplätze bereit am Standort. Das ist aber ein Hohn. In Berlin hat er aus einer anderen GmbH Arbeitsplätze an unseren Standort geholt und so die Flächen verkleinert. Der Arbeitgeber setzt langfristig auf mehr Homeoffice, die meisten Auftraggeber sind bereit, zumindest in bestimmten Bereichen mitzumachen. So spart er Kosten ein.

Im Mai 2020 habt ihr festgestellt, dass ihr einen neuen Betriebsrat wählen müsst. War euch gleich klar, dass das unter Pandemie-Bedingungen schwieriger werden könnte?

Der große Lockdown war gerade vorbei, aber keiner wusste, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Die Situation war schwierig. Über eine Schulung hatten wir verschiedene Praxisvorschläge, aber wir wussten nie, ob das hundertprozentig funktioniert, denn es gab ja auch noch keine Urteile dazu. Wir hatten zur Wahl ein reales Wahllokal, aber da die Leute überwiegend im Homeoffice waren, konnten alle auch per Briefwahl wählen.

Hat sich das auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt?

Die Wahlbeteiligung war deutlich geringer. Man merkt auch, dass bei Briefwahlen mehr formale Fehler gemacht werden, durch die Stimmen ungültig sind. Auch wenn man das Verfahren noch so oft erklärt, gibt es immer noch einige, die die eidesstattliche Erklärung mit in den Wahlumschlag packen oder so. Aber das ist ein allgemeines Briefwahlproblem.

Wie führt man einen Wahlkampf, wenn man die Kolleg*innen nicht auch mal zwischendurch ansprechen kann?

Wir hatten mit der Geschäftsleitung abgesprochen, dass es eine Teams-Gruppe gibt, in der jede zugelassene Liste in einem eigenen Ordner ihre Werbung hinterlegen kann. In unserer digitalen Betriebsversammlung haben wir angesprochen, welche Listen zugelassen sind. Das geht, es ist aber einfach nicht das gleiche, als wenn man die Leute direkt ansprechen kann.

Klicken die Beschäftigten die Ordner aktiv an?

Ich kann nicht sagen, ob das alle gemacht haben, aber das kann ich im Betrieb ja auch nicht sagen. Wenn ich mein Material aushänge, weiß ich auch nicht, wer sich das angesehen hat.

Wie sammelt man denn die notwendigen Stützunterschriften?

Der Wahlvorstand hat alle Beteiligten schon vorher auf den Termin hingewiesen, an dem er die Wahlausschreibung aushängt. Daher konnten sie sich vorab Gedanken um die Listen machen. Denn nach diesem Termin gibt es ja nur starre 14 Tage, in denen man die notwendigen Original-Unterschriften auf einer zusammenhängenden Liste bekommen muss. Wir sind unter anderem mit dem Auto an einem Samstag durch ganz Berlin und auch durch Potsdam gefahren und haben die Unterschriften von den Kolleg*innen eingesammelt. Und wir haben diejenigen angesprochen, die im Büro waren. Alle drei Listen hatten die notwendigen Stütz-unterschriften in den 14 Tagen zusammen. Jetzt mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist das noch mal einfacher geworden.

Hast Du Tipps für diejenigen, die für das kommende Frühjahr eine Betriebsratswahl organisieren?

Bei Betrieben, die überwiegend im Homeoffice sind, sollte man sein Augenmerk auf die Briefwahl legen. Schwerpunkte sind da, wie erreiche ich die Kolleg*innen mit der Werbung und wie erkläre ich den Leute, wie sie richtig die Briefwahlunterlagen ausfüllen. Wichtig ist auch, sich vorab zu überlegen, wie ich die Kandidat*innen aufstelle. Auch dazu hatten wir eine Veranstaltung über Teams.

Es war bei euch eine Betriebsratswahl unter außerordentlichen Bedingungen mit gewissen rechtlichen Unsicherheiten. Wie geht man mit dem Gedanken um, dass der Arbeitgeber vielleicht noch mehr Möglichkeiten hat, die Wahl anzufechten?

Ich habe schon Anfechtungen mitgemacht, auch ohne Corona. Man kann nie alles richtig machen, es kann immer mal dazu kommen, dass eine Wahl wiederholt werden muss – aber für mich ist wichtig, dass erst einmal ein Betriebsrat ordnungsgemäß im Amt ist. Daher hatte ich keine große Angst.

Interview: Heike Langenberg

Betriebsratswahl in Zeiten von Corona

2021 hat die damalige schwarz-rote Bundesregierung das Betriebsrätemodernisierungsgesetz verabschiedet. Darin sind auch Regelungen enthalten, die Betriebsratswahlen in Zeiten erleichtern, in denen es noch Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie gibt. So müssen etwa in kleineren Betrieben im Vorfeld der Wahl weniger Stützunterschriften für die einzelnen Listen eingereicht werden, in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten sind sie gar nicht mehr nötig. Das erleichtert die Vorbereitung der Wahl insbesondere, wenn viele Beschäftigte im Home-office sind. Gewählt werden kann per Briefwahl, die Unterlagen können allen Beschäftigten auch ohne Antrag zugeschickt werden.

Auch wenn die virtuellen Möglichkeiten bei einer Betriebsratswahl ausgeweitet worden sind, müssen Manipulationen der Wahl in jedem Fall verhindert werden. Deshalb gibt es weiterhin Abläufe, die nicht virtuell, sondern nur in Präsenz gemacht werden können:

Hierzu zählen die Wahlversammlung, das Einreichen von Wahlvorschlägen, die Prüfung dieser durch den Wahlvorstand, die Stimmabgabe entweder als Briefwahl oder in dem Wahllokal vor Ort und ebenso die Auszählung der Stimmen direkt nach Ende der Wahl.Unter Einhaltung der bestehenden Abstands- und Hygienebedingungen ist das manchmal etwas mühsamer, aber machbar.