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Bei Geldtransporten mit nur einem Boten steigt das ÜberfallrisikoFoto: Gero Breloer/dpx

"Auf den Beifahrersitz gehört mein Kollege – nicht die Angst". Ein Plakat bei einer ver.di-Kundgebung bringt die Sorgen und Ängste der Beschäftigten in der Geld- und Werttransportbranche auf den Punkt. Wer alleine in dem Job unterwegs ist, hat ein erheblich höheres Risiko, überfallen zu werden. Trotzdem greifen Arbeitgeber eine 2011 getroffene Vereinbarung an und wollen die Ein-Mann-Logistik ausweiten. Wohl wissend, welchen Gefahren sie ihre Beschäftigten damit aussetzen.

Momentan gibt es in Deutschland nur wenige Geld- und Werttransporte, die mit nur einem einzelnen Geldboten gemacht werden. Aus gutem Grund. Das Risiko ist zu hoch. Erst jüngst wurde in Berlin ein Geldtransportfahrzeug mit einer Ein-Mann-Besatzung überfallen. Der Betroffene wurde mit einer Waffe bedroht und mit Reizgas verletzt. Der Geldbote war gerade dabei, die Geldkassette ins Fahrzeug zu laden. Da er alleine arbeitete, konnte ihn niemand warnen.

Der zweite Bote ist kein Luxus

"Ich hoffe, dass der Mann auf dem Wege der Besserung ist und nie mehr allein fahren muss", sagt Bernhard Daus, Mitglied im ver.di-Gewerkschaftsrat und als Gewerkschaftsvertreter auch Mitglied im für die Branche zuständigen Fachausschuss "Sachgebiet Sicherungsdienstleistungen". Ihm gehören Vertreter*innen der Arbeitgeber, der Berufsgenossenschaften und der Gewerkschaft an. "Ein zweiter oder dritter Mitfahrer beziehungsweise Mitfahrerin sind kein Luxus, sondern dazu da, das Umfeld zu sichern und bei Gefahren zu warnen", betont Daus. Er verweist auf Vergleiche mit dem Ausland: "In Deutschland werden pro Jahr weniger als zehn Spezialgeldtransporte überfallen. In Großbritannien, wo die Ein-Mann-Logistik gängig ist, sind es über 200." Wer die Ein-Mann-Logistik ausweiten wolle, spiele mit dem Leben und der Gesundheit der Beschäftigten, so Daus.

"In Deutschland werden pro Jahr unter zehn Spezialgeldtransporte überfallen. In Großbritannien, wo die Ein-Mann-Logistik gängig ist, sind es über 200." Bernhard Daus, Mitglied im ver.di-Gewerkschaftsrat

Pauline J. (Name geändert) macht seit 25 Jahren Geld- und Werttransporte für ein großes Unternehmen in Deutschland. Sie arbeitet nie allein. "Ohne die zweite Person im Fahrzeug würde ich blind in die Gefahr laufen, wenn ich die Geldkoffer aus den Supermärkten oder den Bekleidungsgeschäften hole. Zu zweit fühle ich mich sicher. Denn ich weiß, mein Kollege beobachtet die Umgebung und warnt mich, wenn ihm etwas merkwürdig erscheint. Und er informiert dann auch die Leitstelle. Ohne die Sicherheit des zweiten Paar Augen wüsste ich nicht, ob ich mich noch trauen würde, meine Arbeit weiter auszuüben." Ähnlich sieht es auch Christian B. (Name geändert), der seit 17 Jahren in der Branche arbeitet: "Wenn bei uns die Ein-Mann-Logistik eingeführt wird, dann werde ich den Beruf an den Nagel hängen. Das ist mir zu gefährlich. Und wozu auch das Risiko eingehen? Die Geldkoffer sind versichert. Warum sollten wir da unsere Leben riskieren?"

Bereits 2011 hat ver.di auf ihrem Bundeskongress beschlossen, die riskanten Geld- und Werttransporte mit Einzelfahrer*innen abzulehnen. 2019 verabschiedete ver.di erneut eine Resolution dazu. Doch Vertreter des Arbeitgeberverbandes Bundesvereinigung Geld- und Wertdienste (BDGW) fordern im Gegensatz zu den noch bestehenden Vereinbarungen aus 2011 die Ausweitung der Ein-Mann-Logistik. 2011 waren sich Arbeitgeber und ver.di noch einig, nur den Bestand für höchstens drei Jahre zu erlauben und die riskanten Transporte nicht auszubauen. Doch daran wollen die Arbeitgeber nun rütteln. Dabei hatte auch die Europäische Union im Oktober 2011 eine Mindestbesatzung von zwei Personen beim grenzüberschreitenden Straßentransport von Euro-Bargeld beschlossen.

Belastender Job

Betriebsratsvorsitzender Igor Mihajlovski arbeitet beim größten Geld- und Werttransportunternehmen in Deutschland und drittgrößten weltweit. Sein Arbeitgeber setzt seit Jahren auf die Zwei- oder Drei-Personen-Besatzung. "Ist ein Mitarbeiter beim Transport auf sich allein gestellt, dann wäre das eine enorme psychische und physische Belastung", sagt er. In einem Testversuch vor über zehn Jahren habe ein Kollege drei Monate in der Ein-Mann-Logistik gearbeitet, berichtet Mihajlovski weiter. "Vor lauter Stress und Angst hat der Mann in drei Monaten zwölf Kilo abgenommen. Das hat ihn bis in den Schlaf verfolgt. Kein Wunder. Was nützt mir eine Waffe, wenn ich einen schweren Geldkoffer in der Hand trage, mit der ich im Notfall die Waffe bedienen müsste?"

Von ver.di wird es auch in Zukunft keine Zustimmung zur Ein-Mann-Logistik geben. "Wir lassen nicht zu, dass Unternehmen ihre Profite auf Kosten des Personals steigern, indem sie die Menschen am Arbeitsplatz bewusst einer vermeidbaren Gefahr aussetzen", sagt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Die Gewerkschaft versuche zudem, den Schutz der Beschäftigten in neuen Unfallverhütungsvorschriften festzuschreiben. "Arbeitgeber, die die Ein-Mann-Logistik unterstützen, setzen das Grundrecht auf körperliche und seelische Unversehrtheit und einen sicheren Arbeitsplatz aufs Spiel. Wir brauchen aber dringend Verbesserungen und keine Verschlechterungen. Der Job ist auch so schon belastend genug."