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Stephanie Thom ist oft am Limit, da hilft "Schön atmen" nur bedingtFoto: Daniel Limmer

Am 16./17. Mai findet in Potsdam die dritte Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag im Sozial- und Erziehungsdienst (S+E) statt. Beim letzten Termin, Ende März, ist die Arbeitgeberseite auf nahezu keine Forderung von ver.di eingegangen, die Gespräche wurden ohne Annäherung beendet. Die Beschäftigten brauchen jedoch dringend eine Entlastung und Anerkennung ihrer Arbeit. Im Vorfeld der dritten Verhandlungsrunde unterhielt sich die Münchner ver.di-publik-Redaktion darüber mit Stephanie Thom, Erzieherin und stellvertretende Leiterin des Münchener Kindergartens Bad-Schachener-Straße.

ve.rdi publik : Du bist Erzieherin und stellvertretende Leiterin eines Kindergartens. Vor welchen täglichen Herausforderungen stehst du in deinem Beruf?

Stephanie Thom: Ich mache in meiner Position sowohl Kinderdienst als auch Verwaltungsdienst. Neben den erzieherischen Tätigkeiten schreibe ich also auch Dienst- und Speisepläne. Das heißt, ich mache eigentlich so ziemlich alles. Da der Verwaltungsaufwand aber immer höher wird, bleibt momentan oftmals wenig Zeit für den Kinderdienst, obwohl es eigentlich das ist, was ich ursprünglich mal gelernt habe. In meinen Augen könnten in der Verwaltung einige Prozesse vereinfacht werden.

Warum ist dein Beruf, der Sozial- und Erziehungsdienst so wichtig?

Wir sorgen dafür, dass Kinder eine gute Entwicklung machen und legen somit wichtige Grundsteine für ihr ganzes späteres Leben. Bei uns lernen sie, mit anderen Kindern zu interagieren, wie sie selbstständiger werden und warum man sich gegenseitig hilft. Wir machen eine Arbeit, die als selbstverständlich angesehen wird, was sie aber nicht ist. Das gilt für den gesamten Sozial- und Erziehungsdienst.

Warum engagierst du dich bei ver.di?

Ich engagiere mich bei ver.di, weil ich finde, dass wir eine gerechtere Bezahlung, faire Arbeitsbedingungen und einen besseren Personalschlüssel brauchen. Sowohl wir Beschäftigten im Moment, als auch die nächste Generation an Erzieherinnen und Erzieher. Und weil ich glaube, dass wir nur als Gruppe stark sind.

Um was geht es euch im Sozial- und Erziehungsdienst in dieser Tarifrunde?

Um bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal – und vor allem auch um mehr Wertschätzung. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind zum Beispiel, wie ich selbst, Eltern. Da ist eine gute Vereinbarung von Kind und Beruf ein ganz wichtiges Thema. Während die meisten Kindergärten vormittags also noch genügend Beschäftigte haben, herrscht ab 12 Uhr absoluter Personalmangel. Das ist ein echtes Problem. Und generell muss man sich mal folgendes vor Augen halten: Wenn es uns im Sozial- und Erziehungsdienst nicht gäbe, dann könnten sämtliche Eltern gar nicht oder kaum mehr ihrer eigenen Arbeit nachgehen. Wir sind eben nicht selbstverständlich.

Wie stark hat die Belastung in deinem Beruf in den letzten Jahre zugenommen?

Die Erwartungen werden immer größer, uns wird ständig noch mehr zugemutet. Gerade mit Corona kamen natürlich unzählige Regeln und Dinge hinzu, die es zu beachten galt. Zurückgegeben wird aber wenig, es heißt immer nur "ihr schafft das schon." Dabei sind wir mittlerweile alle am Limit. Ich persönlich stoße immer öfter an meine Belastungsgrenze.

Auf deinem T-Shirt steht der Spruch "Schön atmen". Hat es damit etwas Besonderes auf sich?

Ja, das sind unsere Kindergarten-internen Motto Shirts. Entstanden ist das Ganze, als Antje (Leiterin) sich wieder mal – zu Recht – wahnsinnig über etwas geärgert hat. Da meinte ich zu ihr nur: "Schön atmen." Der Spruch hat sich dann irgendwie relativ schnell etabliert. Es kommt nämlich immer wieder zu extremen Stresssituationen, wo wir uns das dann gegenseitig zur Beruhigung mitgeben.

Was erwartest du nun in der nächsten Verhandlungsrunde von der Arbeitgeberseite?

Endlich ein ehrliches Entlastungsangebot!

Warum sollten sich Beschäftigte des Sozial- und Erziehungsdienstes unbedingt an den Aktionen und Streiks von ver.di in München beteiligen?

Damit wir gesehen werden. Und damit in der Öffentlichkeit ankommt, wie wichtig wir sind. Denn ohne uns, würde es ziemlich Mau aussehen!

Interview: Daniel Limmer