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Hafenübergreifender Warnstreik: Flächendeckend standen die Anlagen stillFoto: Markus Scholz/DPA

Die Stimmung von Christian Baranowski war schon besser. Und es geht nicht nur dem Betriebsratsvorsitzenden der CTB Container Terminal Burchardkai, einer Tochter der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA), so. Seit Beginn der Corona-Pandemie arbeiten alle Beschäftigten in den deutschen Seehäfen am Anschlag – 50 bis 60 Wochenstunden sind keine Ausnahme. Unterbrochene Lieferketten vor allem durch die Lockdowns in China haben das sonst so wohlgeordnete und -geplante Wirtschaften in den Häfen komplett durcheinandergebracht. Die durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine ansteigende Inflation tut ein Übriges.

Vor diesem Hintergrund verhandeln ver.di und die im Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) zusammengeschlossenen Arbeitgeber seit mehreren Wochen über einen neuen Tarifvertrag. Doch aktuell liegen die Forderungen der Gewerkschaft und das Angebot der Arbeitgeber im sprichwörtlichen Sinne Seemeilen auseinander. Die Gewerkschaft fordert für die rund 12.000 Beschäftigten in den deutschen Seehäfen von Emden, über Wilhelmshaven, Brake, Bremen und Bremerhaven sowie Hamburg die Anhebung der Stundenlöhne um 1,20 Euro, einen tatsächlichen Inflationsausgleich sowie die Erhöhung der jährlichen Zulage für Beschäftigte in Vollcontainer-Betrieben (A-Pauschale) von 1.200 Euro. Laufzeit zwölf Monate.

Das finden die Arbeitgeber angesichts der Situation nach eigener Darstellung verantwortungslos. Immerhin: Der ZDS ist der Gewerkschaft in der dritten Verhandlungsrunde ein Stück entgegen gesegelt. Kern des Angebots ist eine Anhebung der Stundenlöhne um 90 Cent und eine Erhöhung der A-Pauschale in Vollcontainerbetrieben um 600 Euro bei einer Laufzeit von 12 Monaten", schreibt der ZDS in einer Mitteilung. Außerdem im Paket: einmalige "Sonderzahlungen zur Abfederung der gestiegenen Lebenshaltungskosten über 1.000 Euro in Vollcontainerbetrieben bzw. 500 Euro in konventionellen Betrieben."

Aber Betriebe, in denen die Beschäftigten vor Kündigung gesichert sind, sollten lediglich einen Inflationsausgleich von drei Prozent bekommen, ergänzt ver.di die Arbeitgeber-Information. Zudem solle die jährliche Einzahlung der Arbeitgeber in den im Jahr 2016 aufgelegten Demografie-Fonds in Höhe von 1,3 Prozent einmalig direkt an die Mitarbeitenden ausgezahlt werden. Der ZDS hat ausgerechnet, dass das neue Angebot einer Tariferhöhung von 7,8 beziehungsweise 6 Prozent entspreche, je nach Unternehmenskategorie.

Das erste Mal seit 40 Jahren

Was auf den ersten Blick wie ein tolles Zahlenwerk der Arbeitgeber wirkt, reicht ver.di längst nicht aus: Das Arbeitgeber-Angebot bedeute an "dauerhaft wirksamen Lohnerhöhungen" lediglich einen Sprung um 4,95 Prozentpunkten in den Container- und 3,75 Prozentpunkten in den anderen Betrieben. Über den Stand der Tarifgespräche vom 11. Juni würden jetzt erst einmal die Mitglieder informiert, erklärt ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth: "Die Erwartungen unserer Kolleginnen und Kollegen sind hoch." Dies zeigte sich auch bei Warnstreiks am 9. Juni: Rund 2.400 Kolleginnen und Kollegen von Emden bis Hamburg legten für mehrere Stunden die Arbeit nieder. "Es war der erste hafenübergreifende Warnstreik seit 1978, also seit über 40 Jahren", sagt Schwiegershausen-Güth, "flächendeckend standen die Anlagen still."

Wie schwierig die Lage in den Häfen aktuell aus Arbeitnehmersicht ist, macht CTB-Betriebsratschef Baranowksi deutlich. Statt zeitlich begrenzt auf den Lagerflächen abgestellt zu werden, stehen die Container im Weg. Sie müssten ständig umgestaut werden, um überhaupt noch Platz zu schaffen. "Die Kollegen fahren Slalom", sagt Baranowski. Stand Anfang Juni seien allein am Hamburger Burchardkai sieben Großcontainerschiffe erwartet worden, deren Fahrplan längst nicht mehr stimmt. Dies entspreche einer Menge von 43.000 Standardcontainern. Und in der südlichen Nordsee liegen derzeit rund 100 Schiffe mit Ziel, Hamburg, Rotterdam und Antwerpen auf Reede.

Ausbaden müssen dieses am Ende die Kolleg*innen in den Seehafenbetrieben. Denn: In Pandemiezeiten haben, anders als in anderen Ländern, alle deutschen Seehäfen kontinuierlich weitergearbeitet. Dafür fehle Baranowski und seinen Kollegen jetzt die Wertschätzung. Allein schon deshalb seien die Forderungen der Gewerkschaft berechtigt.

In den nächsten Tagen soll es einen weiteren Verhandlungstermin geben.