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Foto: VITTA GALLERY/Westend 61/ullstein bild

150 Euro für zwei Stunden Live-Auftritt beim Stadtfest – sind Musiker damit gut bezahlt? Wenn eine Malerin eine Landesausstellung kuratiert, darf sie für die Ehre auch noch Geld verlangen? Das sind wichtige Fragen. Bislang sind selbst öffentliche Auftraggeber an keinerlei Untergrenzen für Honorare selbstständiger Kreativer gebunden.

"Kunst ist Arbeit. Schluss mit der Selbstausbeutung! Wir müssen buchhalterisch rechnen und das Geld verlangen, das wir brauchen, uns und unsere Selbstständigkeit am Laufen zu halten", sagt Lotte Schwenkhagen. Die Künstlerin – ihr Metier sind Malerei, Skulptur und LandArt – kämpft in ver.di schon lange für auskömmliche Honorare. Auch aus eigener Erfahrung: "Schon 2016 habe ich meinem Finanzamt vorgerechnet, wie viel unsichtbare Arbeit in meinen Werken steckt. Und dass ich Zeiten für Akquise, Fahrten zu Kunden, auch meine Farben, Maschinen, Computer und Drucker dazu brauche, meine Kunst auszuüben."

Wie aber Honorare für kreativ-schöpferische Arbeit reell berechnen? Das fragten sich auch die ver.di-Kunstfachgruppen seit Jahren. Der entscheidende Anschub kam zuletzt aus der Musik. "Wir wollten dringend etwas für unsere freien Kolleg*innen tun. In der Honorarfrage war der richtige Zugriff noch immer nicht gefunden. Da kam die Idee, die Sache etwas größer aufzuhängen", erläutert Gabor Scheinpflug, Bundesvorsitzender der ver.di-Fachgruppe Musik. Größer hieß zunächst: auch Schriftsteller*innen, bildende und darstellende Künstler*innen einzubeziehen. So entstand die ver.di-Arbeitsgruppe Mindesthonorare mit unterschiedlichen Akteuren. Auch neuen.

„Es gibt europaweit kein besseres Modell“ Lotte Schwenkhagen

Bei einem Netzwerktreffen in Frankfurt am Main vertrat die Konzertsopranistin und Gesangspädagogin Carolin Jahns die Koalition der freien Szene für klassische und Popmusik. "Ich habe unser damaliges Konzept für faire Unterrichts- und Auftrittshonorare vorgestellt. Auch uns ging es um die 'unsichtbare Arbeit', die in Auftritte und Musikstunden einfließt. Und darum, dass Fördertöpfe bislang so berufsfern sind." Die Sängerin wurde in die ver.di-AG eingeladen: "Obwohl es schon kontrovers zuging, konnten wir alle Erfahrungen aus unseren Bereichen und Sparten einbringen."

Gemeinsames Ziel war, Honorare nachvollziehbar und seriös so zu kalkulieren, dass sie gut zum Leben von Künstler*innen reichen. "Das Modell ist super durchdacht", so Jahns. Dabei sind grundlegend: Die Betrachtung der realen Arbeitszeit und der Bezug auf einen Tarif.

Der ver.di-Vorschlag "Basishonorare für selbstständige Kreative" definiert Untergrenzen für Aufträge mit öffentlichen Fördergeldern. Für Lisa Mangold, Gewerkschaftssekretärin im ver.di-Bereich Kunst und Kultur, markiert er auch einen "Quantensprung": Corona habe dem Letzten gezeigt, wie prekär das Lebensmodell vieler soloselbstständiger Kreativer in dieser reichen Gesellschaft ist. Sie verdienen zu wenig, um auskömmlich zu leben, sich Krankenversicherung, Altersvorsorge und zeitweisen Auftragsmangel leisten zu können. Nicht zuletzt deshalb hat die Regierung der Ampelparteien versprochen, Mindesthonorierungen für freischaffende Künstler*innen und Kreative in die Förderrichtlinien des Bundes aufzunehmen.

Bezugsgröße Tarife im öffentlichen Dienst

Es sei naheliegend gewesen, sich bei der Honorarberechnung auf den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVöD) zu beziehen, so Mangold. Das schaffe Transparenz wie Vergleichbarkeit. Und Tariferhöhungen würden auch Basishonorare steigen lassen.

Voraussetzung: Kreative Arbeit muss nach Zeit berechnet werden. Jede Form von Arbeit, also auch Proben und Kommunikation, sind einzubeziehen. Außerdem ist einkalkuliert, dass Selbstständige projektübergreifende Tätigkeiten wie Buchhaltung, Akquise oder Fortbildungen erledigen. Mit Pauschalen gehen auch Betriebsausgaben für Büro, Atelier oder Studio, Werbungskosten und Abschreibungen in die Kalkulation ein.

Aus all dem lassen sich dann Stunden-⁠, Tages- und Wochensätze errechnen. Über die Entgeltgruppen im TVöD können auch Qualifikationsniveau und Berufserfahrung einfließen. ver.di hat dazu verschiedene Beispielrechnungen vorgelegt. So werden für ein zweistündiges Konzert gestaffelt 20 bis 60 Arbeitsstunden veranschlagt, die Konzeption einer Ausstellung ist mit bis zu 24 Tagen kalkuliert.

ver.di debattiert den Vorschlag seit Monaten öffentlich. "Es zeigt sich, unsere Basishonorare sind tatsächlich für ganz unterschiedliche künstlerisch tätige Selbstständige anwendbar", so Lisa Mangold. Im Kulturausschuss des Bundestages gab es im Dezember positive Resonanz von Grünen, SPD und Linken. "Unser Modell wäre ganz leicht in die Förderkriterien des Bundes aufzunehmen. Worauf wartet man da?", fragt die ver.di-Sekretärin. Gemeinsam dranbleiben, das sei die Aufgabe. "Es gibt europaweit kein besseres Modell", sagt Lotte Schwenkhagen.

kunst-kultur.verdi.de/schwerpunkte/ mindeststandards/basishonorare

Präsentation und Beispielrechnungen unter: kurzelinks.de/vt4r