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Die junge Frau am Tisch möchte im Ausland arbeiten und lässt sich bei EURES in Spanien beratenFoto: Fabian Weiss/laif

Was ist das Ziel von EURES?

Zielsetzung ist, dazu beizutragen, dass ein integrierter europäischer Arbeitsmarkt entsteht, der inklusiver und vielfältiger ist. EURES kann einen Beitrag dazu leisten, Arbeitskräfteengpässe in einem Land durch Überschüsse in anderen Ländern auszugleichen. Grenzüberschreitend können durch die Programme und Dienstleistungen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt zusammengebracht werden. Aber wir stellen auch Informationen bereit, denn wir möchten faire Mobilität fördern. Informationen sind für Arbeitssuchende wichtig, aber auch für Arbeitgeber, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht selbst über große Personalabteilungen oder rechtliche Fachkräfte verfügen.

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Irene Mandl leitet bei der 2019 gegründeten Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) die Abteilung für Information und die EURES-ProgrammeFoto: privat

Welche Informationen sind das?

Informationen gibt es über zwei grobe Schienen: Die eine Schiene ist unser Portal (eures.ec.europa.eu/index_de), das digitale Gesicht von EURES. Hier gibt es Informationen zum Arbeitsmarkt und zu den Arbeitsbedingungen. Arbeitssuchende können sich darüber informieren, wie der Arbeitsmarkt in einer bestimmten Region aussieht und wie groß die Chancen sind, im Wunschgebiet einen Arbeitsplatz zu finden. Bei den Arbeitsbedingungen sollen die praktischen Informationen den Arbeitssuchenden bei arbeitsrelevanten Fragen helfen. Darüber hinaus gibt es auch Informationen zu den Lebensbedingungen. Das ist wichtig, weil ein Teil der mobilen Arbeitskräfte mit der Familie in das andere Land geht. Die andere Schiene sind die rund 1.000 Berater vor Ort. In den 31 Ländern, in denen EURES aktiv ist, gibt es ein Netzwerk aus verschiedenen Institutionen, zum Beispiel öffentliche und private Arbeitsvermittlungen, aber auch Universitäten oder Sozialpartner. Die Berater sind für diese Art von Beratung speziell geschult.

Auf welcher Seite ist die Nachfrage nach diesen Programmen und deren Nutzung größer?

Wir haben aktuell im Portal circa vier Millionen offene Stellen ausgeschrieben und rund eine Million Lebensläufe. Dazu kommen rund 5.000 registrierte Arbeitgeber.

Gibt es innerhalb der EU noch Berufe, von denen es in einigen Regionen einen Überschuss gibt, an denen es in anderen aber mangelt?

Wir sind gerade dabei, unseren aktuellen Bericht zu Engpässen und Überschüssen fertigzustellen. Wir sehen, dass der Arbeitsmarkt im Moment sehr dicht ist. Es gibt eine relativ große Anzahl von Berufsgruppen, die von einer großen Anzahl an Ländern als Engpässe definiert werden. Es gibt aber auch rund 300 Überschussberufe. Grenzüberschreitend kann in bestimmten Fällen ein Ausgleich geschaffen werden. In Bulgarien besteht beispielsweise ein Engpass an Fahrern von Bussen und Straßenbahnen, in Griechenland gibt es hingegen einen Überschuss. Wegen der räumlichen Nähe könnte es dort vielversprechend sein, aktiv das Bewusstsein für den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt zu fördern. Ich schätze das so ein, dass Mobilität bei räumlicher Nähe, sprich in Grenzregionen, besonders gut funktionieren könnte – oder dort wo es ähnliche sprachliche oder kulturelle Eigenschaften gibt. Man kann allerdings nicht alle Engpässe in einem Land durch Überschüsse in einem anderen lösen, da einige der strukturellen Engpässe in vielen Ländern bestehen.

Was sind die größten Hindernisse für berufliche Mobilität?

Was wir nach wie vor sehen ist ein gewisses Informationsdefizit – obwohl schon viel gemacht wird. Es liegt aber auch an der Sprache. Manche Informationen gibt es nur in der Sprache des Mitgliedslandes, aber nicht in der der mobilen Arbeitskraft. Gerade rechtliche Informationen sind oft in einer Fachsprache geschrieben, die schwer zu verstehen ist. Da brauchen wir Übersetzungen in alltägliche Sprache. Aber auch fehlendes Wissen über praktische Aspekte kann ein Hinderungsgrund sein.

Ist es für Arbeitgeber leichter, Arbeitskräfte zu finden als umgekehrt?

Insbesondere kleinere Unternehmen rekrutieren häufig Arbeitskräfte über persönliche Netzwerke. Wenn die nicht bis ins Ausland gehen, wird es schwierig. Für kleine Unternehmen ohne einen besonderen Ruf oder ohne die Bekanntheit großer Markenunternehmen ist es schwieriger, für Arbeitnehmer einen Anreiz zu schaffen, in ein anderes Land überzusiedeln. Man muss beweisen, dass man attraktiv genug ist, insbesondere für höher qualifizierte Beschäftigte, die viele Möglichkeiten am Arbeitsmarkt haben.

Wie entwickelt sich die Arbeitskräftemobilität generell?

Wir haben bis 2020 einen Anstieg der Mobilität gesehen. Durch Covid und die Restriktionen in Sachen Mobilität kam es zu einem deutlichen Einbruch. Jetzt haben wir wieder eine Stabilisierung.

Welche Arbeitskräfte sind besonders mobil?

Mobile Arbeitskräfte sind eher jünger. Die mobilen Arbeitskräfte haben aber einen höheren Anteil an befristeter und Teilzeitbeschäftigung als die nationalen. Die Arbeitnehmer, die heute mobil sind, haben ein etwas höheres Bildungsniveau als noch vor ein paar Jahren. Das ist aber generell am Arbeitsmarkt so. Bei den Sektoren liegt ein Fokus auf Sachgüterproduktion, Bauwesen und Tourismus.

Was spricht eigentlich dafür, im Ausland zu arbeiten?

Für grenzüberschreitende oder mobile Arbeitskräfte ist es eine Erfahrung, in einem anderen Land zu wohnen und zu arbeiten. Bei einem internationalen Unternehmen bekommt man unter Umständen ein Arbeitsumfeld mit Kollegen aus aller Welt. Beides kann auf professioneller Ebene wie auch auf der persönlichen zur Weiterentwicklung beitragen. Wenn man dann wieder zurück ins Ursprungsland geht, kann das einen Vorteil sein in Bezug auf Qualifikationen, sowohl beruflich als auch bei den Soft Skills. Man ist mehr darauf geschult, auf kulturelle Unterschiede zu achten und zu reagieren.

Interview: Heike Langenberg

Was ist EURES?

EURES (European Employment Service) ist ein Programm, mit dem die Europäische Kommission die grenzüberschreitende Mobilität von Arbeitskräften innerhalb der 31 beteiligten Länder fördern möchte. Dabei gibt es zwei Schwerpunkte: Einer liegt in Grenzregionen, der andere ist die Mobilität zwischen verschiedenen Ländern. Das EURES-Netzwerk unterstützt mit seinen Informationen insbesondere Grenzgänger*innen, Arbeitssuchende, Arbeitgeber*innen und Jugendliche/Studierende. Die Beratungen über EURES sind kostenlos.