Im Jahr 2022 blieben knapp 68.900 Ausbildungsstellen unbesetzt, während gleichzeitig rund 105.000 junge Menschen keine Ausbildungsstelle gefunden haben. Hauptsächlich sind Ausbildungsstellen im ländlichen Raum unbesetzt. Trotzdem finden junge Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderung oder aus sozial schwächeren Familien oft keine Ausbildungsstelle. Ohne Ausbildung sind sie jedoch häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und gleiten auch häufiger in prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Gleichzeitig fehlen überall Fachkräfte, weil nicht genug ausgebildet wird. Der jüngst vom Kabinett verabschiedete Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung soll dazu beitragen, diese Missstände zu beheben. Eine Ausbildungsplatzgarantie soll eingeführt werden, aber versprochen wird der Rechtsanspruch nur in den Regionen, in denen der größte Mangel herrscht, und dort nur auf eine außerbetriebliche Ausbildung. Das ist zwar ein erfreulicher und längst überfälliger Schritt, aber wir brauchen mehr betriebliche Ausbildungsplätze.

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Kai Reinartz ist Vorsitzender der ver.di JugendFoto: Ingo Rappers

Ein Vorschlag der ver.di Jugend dazu ist die Umlagefinanzierung der Ausbildungsgarantie. Alle Unternehmen zahlen in einen Fonds ein. Diejenigen, die ausbilden, erhalten eine Erstattung. Vorstellbar ist dies für Unternehmen ab einer bestimmten Größe als Umlage pro beschäftigter Person, die von den Arbeitgebern abgeführt und über die Sozialversicherungsbeiträge verwaltet wird.

Die Stärkung der betrieblichen Ausbildung wird jedoch mit dem Gesetzesentwurf verpasst, obwohl im Koalitionsvertrag tariflich vereinbarte Ausgleichsfonds begrüßt werden. Im Entwurf fehlen Anreize für weitere tarifvertraglich vereinbarte Umlagesysteme und Ausgleichsfonds sowie Maßnahmen zur Stärkung der Verbundausbildung. Es müssen Anreize für Unternehmen geschaffen werden, gerade in Regionen mit hoher Nachfrage, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, oder Sanktionen eingeführt werden, um Unternehmen zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen zu zwingen. Viele junge Menschen wissen nicht, welche Berufsmöglichkeiten es gibt und welche Ausbildung für sie am besten geeignet ist. Deshalb muss eine flächendeckende Berufsorientierung an Schulen Pflicht werden, bei der sich alle Schülerinnen und Schülern über verschiedene Berufsfelder und Ausbildungsmöglichkeiten informieren können.

"Es braucht mehr, um jungen Menschen eine Perspektive zu bieten und die Ausbildungschancen zu verbessern."

Zwei monatliche Familienheimfahrten als Mobilitätszuschuss für Azubis genügen auch nicht. Die Heimfahrten müssen für die gesamte Ausbildungsdauer bezuschusst werden. Der fehlende bezahlbare Wohnraum für Azubis bleibt ein großes Hindernis für die Ausbildungsmobilität, der sich negativ auf das Ungleichgewicht der regionalen Angebotslage niederschlägt. Auch hier sind Verbesserungen notwendig. Die Praktikumsinitiative ist ein Schritt in die richtige Richtung, um Fahrt- und Unterkunftskosten zu übernehmen. Der Lebensunterhalt vor Ort muss gesichert sein.

Die Jugendberufsagenturen sind für einen guten Übergang von der Schule in den Beruf wichtig. Wir begrüßen ihre Stärkung durch die Bundesregierung und die Agentur für Arbeit. Allerdings müssen sie personell besser aufgestellt werden und anhand klarer Qualitätsstandards weiterentwickelt werden, um vor allem benachteiligten Gruppen Möglichkeiten zu schaffen, direkt nach der Schule durch eine Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Einer Flexibilisierung der Einstiegsqualifizierung (EQ) stehen wir hingegen kritisch gegenüber. Eine EQ darf nicht zur verlängerten Probezeit werden, sondern sollte als Brücke in die Ausbildung dienen. Die sinnvolle Vermittlung von Ausbildungsbausteinen darf nicht gefährdet werden.

Zusammenfassend ist die Ausbildungsgarantie ein wichtiger Schritt, aber es braucht mehr, um jungen Menschen eine Perspektive zu bieten und die Ausbildungschancen zu verbessern.