Antragsberatung.jpg
AbgestimmtFoto: Kay Herschelmann

Mit den Anträgen aus dem Sachgebiet A, "Gute Arbeit und gute Dienstleistungen, betrieblich, tariflich und politisch gestalten", haben die Delegierten ihre Antragsberatung auf dem 6. ver.di-Bundeskongress begonnen. Mit dem Leitantrag A001 verabschiedeten sie grundlegende Richtlinien zur Tarifbindung, Arbeitszeitpolitik, Mitbestimmung und Gesundheitsschutz. Der Beschluss buchstabiert ihre Vorstellungen einer modernen und sozialen Arbeitswelt. Verabschiedet wurde auch ein Initiativantrag mit der Forderung, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns auf 14 Euro zu erhöhen.

Soziales wurde vertagt

Aus Zeitmangel folgten die Delegierten am letzten Kongresstag in einer Block-Abstimmung für die rund 400 Anträge des Sachgebiets B zur Sozial-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik den Empfehlungen der Antragskommission.

Verabschiedet wurde unter anderem die Forderung nach einer kostenfreien Nutzung auch von ICs und ICEs für Blinde mit entsprechenden Vermerken im Schwerbehinderten-Ausweis (B006). Ebenso die Forderungen, die Sozialversicherung für die geschätzt rund 1,8 Millionen Solo-Selbstständigen weiterzuentwickeln (B002), das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen (B076) und mit aktiver Arbeitsmarktpolitik den Strukturwandel zu begleiten (B083).

Mit den Anträgen, zu denen Wortmeldungen vorlagen, wird sich der Gewerkschaftsrat in den kommenden Monaten beschäftigten.

Daseinsvorsorge stärken

Im Sachgebiet C wurden ebenfalls fast alle Anträge im Block abgestimmt, die übrigen sowie der Leitantrag C001 "Den Umbruch von Wirtschaft und Gesellschaft sozial und ökologisch gestalten" als Arbeitsmaterial an den Bundesvorstand weitergeleitet. Mit der Annahme des Antrags C008 "Kommunaler öffentlicher Dienst in der Krise – Daseinsvorsorge und Demokratie in Gefahr" beschlossen die Delegierten, dass ver.di aktiv und nachdrücklich Maßnahmen zur Bewältigung der Krise im kommunalen öffentlichen Dienst unterstützt.

Darüber hinaus soll die Ablehnung einer Grundgesetzänderung und einer Schuldenbremse für die Kommunen, wie von Bundesfinanzminister Christian Lindner, FDP, vorgeschlagen, ausgesprochen werden. Gefordert wird auch die Änderungen im Steuerrecht auf Landesebene, um die Finanzkraft der Länder zu stärken, darunter die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Schließung von Schlupflöchern bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie die Versteuerung von Kapitaleinnahmen mit dem persönlichen Steuersatz.

Der Antrag C047 "Ökologische Finanzwende – Nachhaltig sozial!" betont die Notwendigkeit einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft angesichts des Klimawandels. Der Empfehlung der Antragskommission folgend wurde auch der Antrag C083 "Nachhaltigkeit in der betrieblichen Mitbestimmung und in den Tarifverhandlungen mitdenken" angenommen. Er fordert, dass Betriebs- und Personalräte sowie Tarifkommissionen und Beschäftigte aktiv zur Förderung der Nachhaltigkeit beitragen können.

Digitalisierung gestalten

Im Sachgebiet D ging es mit dem Leitantrag D001 um grundlegende Richtlinien zum Thema Digitalisierung. Seit Jahren ist die Digitalisierung ein zentrales Anliegen von ver.di, das nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen hat. Die bisherigen Beschlüsse aus den vergangenen Kongressen zum Thema behalten ihre Relevanz, während neue Herausforderungen der Arbeitswelt durch die fortschreitende Digitalisierung adressiert werden.

Mit der Annahme des Antrags D007 wurde beschlossen, dass ver.di sich ganz bewusst dafür einsetzt, im Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleistungen "ein Recht auf Analog" zu etablieren. Es gilt sicherzustellen, dass auch älteren Menschen, Personen mit Einschränkungen oder ohne Zugang zum Internet ein uneingeschränkter Zugang zu diesen Dienstleistungen auch in der Zukunft möglich ist.

Friedlich vereint

Das Sachgebiet E unter dem Motto "Mit vereinter Kraft für eine demokratische, solidarische und diskriminierungsfreie Gesellschaft" führte zur längsten Debatte des Kongresses zu den Themen Frieden, Sicherheit und Abrüstung. Vor allem um den Antrag E084 "Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch" rangen die Delegierten um eine gemeinsame Position.

Die Delegierten waren sich einig darin, dass alle Frieden wollen. Nur, wie der Weg dorthin führt, darüber gingen die Meinungen auseinander. Wirklicher Frieden müsse durch Verhandlungen entstehen. Bevorzugt werden solle der gewaltfreie Weg, um das Sterben zu reduzieren. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke betonte das Recht von angegriffenen Völkern auf Selbstverteidigung. Frieden und Freiheit seien nicht zu trennen. Die Delegierten haben es sich nicht leicht gemacht. Nach sieben Stunden Debatte wurde dem Antrag mit wenigen Änderungen mehrheitlich zugestimmt.

Diskutiert wurde im Untersachgebiet "Frauen und Gleichstellung" vor allem über die Einführung von Gleichstellungsbeauftragten in der Privatwirtschaft (E046). Hingewiesen wurde von einer Delegierten darauf, dass es bereits vor 22 Jahren einen ersten Gesetzesentwurf dazu gegeben habe. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD, habe aber seinerzeit nicht das Gesetz durchgesetzt, sondern sich auf einen Deal mit der Wirtschaft eingelassen.

Bildung, Bildung, Bildung

Im Sachgebiet F wurden zum Thema "Bildungspolitik und berufliche Bildung" 52 Anträge abgestimmt. Verabschiedet wurden unter anderem Anträge zur "Erhöhung der finanziellen Ausstattung der Schulen, Hochschulen und Universitäten", zu "Gute Ausbildung im Gesundheitswesen 2.0", zur "Ausbildungsoffensive in der frühkindlichen Bildung" und "Stärker werden im schulischen Ganztag". In En-Bloc-Abstimmung wurden weitere Anträge zur Berufsaubildungsbeihilfe (BAB) und zum Bafög abgestimmt, ebenso der Antrag "Freier Zugang zu Bildung" (F029) und drei Anträge zum Bildungsurlaub (F031 bis F033).

Die Anträge zum Sachgebiet G wurden weitestgehend ohne Diskussionen einstimmig angenommen. ver.di setzt sich für eine solidarische europäische Integration und eine gerechte Globalisierung ein. Der Leitantrag zum Thema (G001) stellt klar, dass Europa zwar gestärkt, jedoch anders gestaltet werden muss. In vielen Bereichen brauche es eine stärkere europäische Zusammenarbeit, gleichzeitig müssen soziale Errungenschaften in den Mitgliedstaaten geschützt werden – auch, um nationalistischen und rechtspopulistischen Strömungen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Solidarität mit den Frauen im Iran

Einstimmig wurde der Antrag G008 angenommen, ein gemeinsamer Appell und Aufruf zur Solidarität mit den Frauen im Iran. Der Antrag wurde unterstrichen mit einer Aktion der ver.di Jugend, die mit Fahnen und Plakaten die Bühne füllten. Nahezu einstimmig wurde auch der Erhöhung der Sichtbarkeit des Transportsektors (G002) zugestimmt, der Verknüpfung und Verstärkung lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Gewerkschaftsarbeit (G003/G004).

Die Anträge aus dem Sachgebiet H zur Organisationspolitik und -entwicklung sowie die aus dem Sachgebiet J zur Branchen-, Konzern- und Unternehmenspolitik wurden nahezu sämtlich Mangels Zeit am letzten Kongresstag im Block abgestimmt. Viele wurden zur Weiterbefassung an den Gewerkschaftsrat und den Bundesvorstand weitergeleitet.

Mehr erfahren unter verdi.de/ueber- uns/bundeskongress-2023/berichte