Was können Mitglieder tun, um in ihrem Betrieb aktiv zu werden? Wie gewinnt man weitere Mitglieder, um mehr durchzusetzen? Wir stellen verschiedene „Werkzeuge“ vor, die in gewerkschaftlicher Arbeit und Auseinandersetzungen erfolgreich eingesetzt wurden. Dieses Mal erzählt Carlos Seefeld, der bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) arbeitet und dort ver.di Vertrauensmann ist, von seinen Erfahrungen mit der Mehrheitspetition – einer Unterschriftenliste zu einer tariflichen oder betrieblichen Forderung.

Worum ging‘s bei eurer Mehrheitspetition?

Carlos: Wir haben das im Rahmen der TVöD-Runde gemacht. Wir wollten sehen, wie viele Leute hinter der Forderung der Gewerkschaft stehen. Und wir wollten auch sehen, wo ver.di überhaupt im Unternehmen steht nach den Coronajahren. Die Unterschriften für die Mehrheitspetition sagten: Wir stehen hinter der Lohnforderung, wir sind bereit, uns in der Tarifrunde zu ­engagieren, und bereit, aktiv zu werden.

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Carlos Seefeld, ist Vertrauensmann bei der Berliner Stadtreinigung (BSR)privat

Wie lief das Ganze ab?

Wir haben drei Säulen im Unternehmen – die Abfallwirtschaft, die Reinigung und die Verwaltung. Unterschriften wurden überall gesammelt, aber es lief unterschiedlich ab. Bei Abfallwirtschaft und Reinigung haben wir auf den Höfen sogenannte Frühsprachen. Da treffen sich die Kolleg*innen morgens für ihre Tour-Einteilung, und dabei haben die Vertrauensleute auf den Höfen die Leute direkt auf die Mehrheitspetition angesprochen. In der Verwaltung gab es viele 1:1-Gespräche, also direkte Gespräche.

Hattet ihr einen Gesprächsleitfaden oder andere Hilfen?

Es gibt Ansprache-Leitfäden für Leute, die sich nicht so sicher fühlen. Aber die BSR ist ein sehr familiäres Unternehmen und man kennt uns Vertrauensleute. Ich brauche da nicht erklären, wer ich bin und wofür ich komme. Wir brauchten auch nicht mehr groß auf die Tarifrunde aufmerksam machen und erklären, warum wir mehr Lohn brauchen. Da waren nach Corona und mit der hohen Inflationsrate sowieso alle sensibi­lisiert.

Hast du trotzdem Tipps für Kolleg*innen aus anderen Betrieben?

Ganz wichtig finde ich den persönlichen Kontakt. Mails rumschicken halte ich für zwecklos. Das landet nur im Papierkorb. 1:1-Kontakt ist wichtig – und sich auch trauen, Leute anzusprechen, die man eher als gewerkschaftsfern einschätzt. Wenn die nicht total anti sind, hat man immer gute Argumente, die Leute im Gespräch zu überzeugen. Wichtig ist auch Ehrlichkeit! Nichts versprechen, was man nicht halten kann. Ich kann mit einer Mehrheitspetition nicht zaubern, aber ich kann ein Zeichen setzen. Und dafür ganz wichtig: Sichtbarkeit! Übergebt die Mehrheitspetition öffentlichkeitswirksam – an die Arbeitgeber oder an die ­Politik.

Wie habt ihr die Übergabe gemacht?

Wir haben ein richtiges Event daraus gemacht. Wir ­haben die Unterschriften – über 3.000 waren es – auf ein großes Banner gedruckt und das in einer verlängerten Mittagspause unserem Vorstand beziehungsweise der Stellvertretung – mit Belegschaft und ge­ladenen Gästen – übergeben.

Habt ihr auch Mitglieder gewonnen?

Wir haben insgesamt in der Tarifrunde ein enormes Mitgliederwachstum – auch in der BSR – gehabt. Aber das kann man nicht allein auf die Mehrheitspetition stützen. Das waren auch andere Aktionen und die Streiktage.

ver.di bietet dieses und anderes „Gewerkschaftswerkzeug“ in Schulungen an. Einen tieferen Einblick und Materialien findest du auf der Seite des Projektes ­Zukunft der Mitgliedergewinnung unter

zdm-werkzeuge.verdi.de