Aus einer Flut von Bewerbungen punktgenau jene Person rausfiltern, die perfekt auf die freie Stelle passt: Künstliche Intelligenz (KI) macht's möglich? "Ob Maschinen am Ende wirklich die bessere Auswahl treffen, darf stark bezweifelt werden", sagt Nadine Müller, Leiterin des ver.di-Bereichs Innovation und Gute Arbeit. "Die Gefahr besteht, dass beispielsweise verzerrte Daten zur Diskriminierung von Menschen führen." Deshalb sind beim Einsatz von KI rechtlich enge Grenzen gesetzt. Und: "Betriebsräte haben viel Mitspracherecht", betont die Gewerkschafterin.

Wie diese Rechte gut genutzt werden können, zeigt das Beispiel IBM. Als das Softwareunternehmen ein neues IT-System mit KI einführen wollte, hat der Betriebsrat in Deutschland bereits vor fünf Jahren eine Betriebsvereinbarung dazu abgeschlossen. Der Leitsatz lautet: "Am Ende entscheidet der Mensch", sagt der IBM-Konzernbetriebsratsvorsitzende Frank Remers. Unproblematisch findet er, wenn automatisch Bewerbungen aussortiert werden, die formale Anforderungen nicht erfüllen, zum Beispiel weil jemand kein Englisch spricht. "Dafür braucht es keine KI", erklärt der Gewerkschafter. "Da reicht ein klassischer Algorithmus." Werden Bewerbungen darüber hinaus jedoch gar nicht erst angezeigt, bleibe der Mensch de facto schon außen vor.

Auch die Einordnung nach Priorität A, B oder C sieht Frank Remers kritisch. "Die Gefahr liegt darin, dass die KI als objektiv angesehen wird." Viele trauten sich nicht, eine Vorauswahl der KI in Frage zu stellen und ihrem eigenen Urteil zu vertrauen. "Menschen machen Fehler", sagt der Betriebsrat. "Aber die KI macht auch Fehler." Die Systeme könnten lediglich auf existierende Daten zurückgreifen. Wurden bisher Stellen vor allem mit "weißen Männern" besetzt, würden solche Personen bevorzugt. "Und lernt die KI eigenständig, ist es sowieso eine Blackbox."

Hohe Hürden

Was technisch möglich ist, zeigt ein Blick nach Großbritannien: Dort überlassen Unternehmen teilweise der KI, Bewerbungsinterviews per Video zu führen. Bewertet werden nicht nur die Antworten, sondern auch Tonfall, Körpersprache und Mimik. "In Deutschland wäre so etwas nicht möglich, zumindest nicht legal", ist Nadine Müller von ver.di überzeugt. Ob Datenschutzverordnung oder Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: "Die Hürden sind bei uns sehr hoch." Auch die KI-Verordnung der EU legt klare Regelungen fest. Der Betriebsrat muss bei der Einführung solcher Systeme informiert und einbezogen werden und darf einen Sachverständigen hinzuziehen.

A und O ist Transparenz. Die Unternehmen müssen nachweisen können, dass Bewerbungsverfahren ordentlich und fair ablaufen. Die Unternehmen in Deutschland seien daher mit dem Einsatz von KI eher vorsichtig, sagt Nadine Müller. Besonders Menschen mit Behinderung oder jenseits des Mainstreams sind gefährdet, sagt Frank Remers.

Bei IBM in Deutschland wird KI nicht für externe Bewerbungen eingesetzt, sondern nur für interne Empfehlungen von freien Stellen. Die Beschäftigten können eine Mitteilung erhalten, wenn die Anforderungen zu ihnen passen. Und zwar nur sie. "Das ist ein Service", sagt der Betriebsrat. Das Risiko sei damit minimal. Die EU legt in ihrer KI-Verordnung vier Stufen fest: Geht es um Beschäftigte, um Geld oder Karriere, gelte Risikostufe drei oder vier, erklärt Frank Remers. "Da schrillen bei Betriebsräten sofort die Alarmglocken." Die Arbeitgeber müssten genau belegen, dass sie alle Regeln einhalten. "Sonst würden wir die Pläne stoppen." Kathrin Hedtke