Weiterbildung erhöht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt

VON ANNETTE JENSEN

Was die Weiterbildung in Betrieben angeht, steht Deutschland schlecht da. Immer weniger haben die Unternehmen in den vergangenen Jahren in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter investiert - in fast einem Drittel der Unternehmen ist Fortbildung eine komplette Leerstelle. Im Vergleich mit den anderen EU-Ländern belegt Deutschland damit inzwischen einen Platz im unteren Drittel.

Das kann sich jetzt ändern. 140 Millionen Euro haben das Bundesarbeitsministerium und der Europäische Sozialfonds (ESF) für die "Sozialpartnerrichtlinie" bereitgestellt. Finanziert werden damit zum einen Unterstützungs-strukturen, damit Unternehmen und Beschäftigtenvertreter den konkreten Weiterbildungsbedarf ermitteln und in die Personalplanung der Betriebe einbinden. Zum zweiten können aber auch die Kurse selbst aus diesem Topf bezahlt werden. "Das Programm bietet für die Gewerkschaften eine einmalige Gelegenheit, die betriebliche Weiterbildung endlich voranzubringen und stärker mitzubestimmen", freut sich Mechthild Bayer, Bereichsleiterin Weiterbildungspolitik bei ver.di. Sie hat zusammen mit Kolleg/innen anderer Gewerkschaften das Vorhaben mitgestaltet und sitzt jetzt auch in der Steuerungsgruppe.

Überall dort, wo Qualifizierung tarifvertraglich geregelt ist, kann die Sozialpartnerrichtlinie sofort in konkrete Projekte umgesetzt werden. Im öffentlichen Dienst, bei der Telekom, im Druck- und Versicherungsbereich gibt es das schon. Anderswo wird inzwischen über entsprechende Vereinbarungen verhandelt. So ist ver.di zum Beispiel auf den Einzelhandelsverband Westfalen-Münsterland zugegangen und hat die Arbeitgeber erst einmal über die Möglichkeiten des neuen Programms informiert. Gemeinsam kam man zu der Einschätzung, dass die Beschäftigten in kleinen Läden Schulungen in Kundenberatung und Warenkunde gebrauchen könnten. Die Leiterin eines Einkaufszentrums im östlichen Ruhrgebiet ist begeistert - und versucht nun ihre Vorgesetzten zu überzeugen. Wenn alles nach Plan läuft, könnten schon bald kostenlose Kurse stattfinden, hofft der zuständige ver.di-Sekretär Uli Mathiak in Dortmund.

Regiestelle mit zehn Beratern

Alle kleinen Läden des Einkaufszentrums hätten dann das Recht, ihre Beschäftigten qualifizieren zu lassen - in der Nähe, in Unterrichtseinheiten, die auf mehrere Wochen verteilt sind. Die Kurse könnten in "kundenarmen" Zeiten stattfinden. Für die Verkäufer/innen dürfte es unter solchen Umständen relativ leicht sein, eine Freistellung bei ihren Arbeitgebern durchzusetzen. Sie sind nur wenige Schritte bis zum Kurs unterwegs, nach der Teilnahme sind sie besser für ihren Job gerüstet und haben auch noch ein Zertifikat in der Tasche.

Auch für Lkw-Fahrer könnte das Förderprogramm sehr nützlich sein. Ab September 2009 sind sie gesetzlich verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren fünf Fortbildungsmodule zu absolvieren. Die erheblichen Kosten dafür wollen viele Arbeitgeber den Beschäftigten aufhalsen. Gegenwärtig tüfteln ver.di-Vertreter in einigen Regionen an einer Qualifizierungsvereinbarung, damit die Kurse über die Sozialpartnerrichtlinie finanziert werden können. Auch für die Beschäftigten in Justizvollzugsanstalten, im Gesundheitswesen und für Erzieher/innen ist ver.di am Ball.

Wo Betriebs- und Personalräte konkrete Projektideen haben, können sie auf die Unterstützung ihrer Gewerkschaft bauen. Dafür ist eine Regiestelle mit zehn Berater/innen telefonisch oder per E-Mail zu erreichen. Geplant sind regionale Workshops, damit der bis Ende 2013 existierende Fördertopf möglichst breit und sinnvoll genutzt wird.

Die Kriterien, welche Art von Weiterbildung förderungswürdig ist, legt eine Steuerungsgruppe fest. Darin sitzen jeweils fünf Vertreter der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände sowie des Bundesarbeitsministeriums. Dieses Gremium bewertet die Anträge und gibt auch bei Ablehnung Tipps, wo nachgebessert werden muss. Das Bundesverwaltungsamt ist dann schließlich für die endgültige Genehmigung zuständig.

Ansprechpartner für Beschäftigtenvertreter mit konkreten Projektideen sind Mechthild Bayer, Tel. 030 / 6956-2834, mechthild.bayer@verdi.de und Roman Jaich, Tel. 030 / 6956-2830, roman.jaich@verdi.de www.weiterbildungspolitik.verdi.de