Jessika Hortig, Josef Dewenter, Xu Wenwei, Nicole Durlach, Jasmin Bruns, Berhold Walther (von oben links nach unten rechts)

Jessika Hortig (23), stellvertretende Vorsitzende der Telekom Auszubildendenvertretung, Vorsitzende des Bezirks-Jugendvorstands Sachsen-Anhalt Nord

"Als Azubi gibt es jetzt kaum noch Übernahmechancen. Die meisten, wie ich auch, rutschen von der Ausbildung erstmal in die Zeitarbeit. In der ausgegründeten Tochter der Telekom, Vivento, machen wir dann zwar die gleiche Arbeit, bekommen aber viel weniger Geld. Und selbst, wenn wir trotz der Krise übernommen werden sollten, erhalten wir weniger. Es ist eine absolute Sauerei, dass jetzt wieder beim normalen Arbeitnehmer gespart und entlassen wird, und die Manager stecken sich trotz ihres Versagens immer mehr in die Tasche."


Josef Dewenter (60), Hafenarbeiter im Gesamthafenbetrieb Rostock GmbH

"Seit Februar stehe ich wie die anderen 70 Leute in unserem Betrieb in Kurzarbeit, mit acht bis zehn Schichten im Monat von üblicherweise 20. Das bedeutet bis zu 500 Euro weniger für mich. An Urlaubs- und Weihnachtsgeld wollen sie ebenfalls ran. Meine Frau wurde im März arbeitslos, auch im Callcenter gibt's kaum noch was zu tun. Wir werden vor allem mit Reisen kürzer treten - andere haben sich Häuser gebaut, wir wollten immer die Welt sehen! Ich hab hier im Hafen gelernt, fahre unter anderem Kran und Radlader, schwere Technik halt. Nun sind die Piers fast leer. Vier Jahre habe ich noch mindestens bis zur Rente. Es ist kein gutes Gefühl, jeden Tag aufs Neue zu fragen, ob man noch gebraucht wird."


Xu Wenwei (27), Wanderarbeiter in der südchinesischen Provinz Guangdong

"Seit meiner Schulzeit hatte ich schon alle möglichen Jobs. In den letzten zwei Jahren habe ich Taschen genäht, aber jetzt gehen meinem Chef die Aufträge aus, und ich muss mir etwas Neues suchen. Ich glaube auch, er will flüchten, ohne uns die noch ausstehenden Löhne zu zahlen. Das gibt es jetzt oft, dass die Bosse einfach abhauen. Tausende Betriebe haben in den vergangenen Monaten allein bei uns in Guangdong Pleite gemacht, weil die Aufträge aus den USA und Europa weggefallen sind.

Eine Rückkehr in meine Heimat in Zentralchina ist für mich keine Alternative, denn unsere Felder dort sind zu klein, davon kann man nicht leben. Ich wünsche mir einen vernünftigen Job, der sicher ist und möglichst mehr einbringt als die 770 Yuan (88 Euro) Mindestlohn im Monat. Bisher konnte ich es mit Überstunden auf knapp 150 Euro im Monat bringen. Am Ende werde ich jeden Job nehmen müssen, den ich kriegen kann. Mein Erspartes reicht nur für ein paar Tage."


Nicole Durlach (38), Lagerhelferin in Bremen, zwei Kinder (11 und 16)

"Seit einem Jahr arbeite ich beim Gesamthafenbetriebsverein in Bremen. Ende Mai läuft mein befristeter Vertrag aus. Ich möchte hier gerne weiterarbeiten, aber wegen der allgemeinen Wirtschaftslage mache ich mir riesige Gedanken darum, wie es weitergeht. Vielen Kolleginnen mit befristetem Vertrag geht es genauso. Ich möchte weiter im Lagerbereich arbeiten, aber nicht um jeden Preis. Arbeit muss sich lohnen! Wir müssen uns schon jetzt einschränken, weil mein Mann in Kurzarbeit ist. Urlaub fällt schon länger flach."


Jasmin Bruns (19), Friedhofsgärtnerin in Ausbildung, Hamburg

"Mein Ausbilder hat gesagt: ‚Eigentlich kann man dich nicht weggeben, aber wegen der Krise müssen wir dich laufen lassen'. Es bröckelt halt überall zurzeit, und ich finde es nicht in Ordnung, was die Bundesregierung da tut. Im Grunde reden sie nur rum, aber es passiert nichts. Die stecken das Geld in unsinnige Projekte anstatt in Berufsschulen und Schulen mehr Lehrer einzustellen. Ich will, dass solche Unternehmen unterstützt werden, die ausbilden und damit andere Betriebe motivieren, auch auszubilden. Es ist wichtig, dass unsere Zukunft gesichert ist."


Berthold Walther (44), Betriebsratsvorsitzender und Wareneingangsleiter bei Praktiker Rüsselsheim

"Von unseren 54 Kolleg/innen sind 40 in Kurzarbeit, nur die Kassierer/innen nicht. Aber wir stecken mitten in der Gartensaison, dadurch haben wir mehr Arbeit, als wir bewältigen können - und dann noch Kurzarbeit! Das ist keine Lösung, das ist ein Zustand. Das ist kontraproduktiv. Denn was hast du davon, wenn du ein paar Euro Personalkosten sparst, aber dafür Umsatz verschenkst? Bei uns ist Kurzarbeit für 18 Monate vereinbart, jetzt wird Monat für Monat entschieden, ob es damit weitergeht oder nicht. Dass Kurzarbeit für das Unternehmen der Bringer ist, glauben die Kolleg/innen nicht."


Annika Schulze (31), Volkswirtin, arbeitet bei einer Zeitarbeitsfirma in Bonn

"Mein Vertrag ist unbefristet, und ich werde als Projekt bzw. Geschäfts-Assistentin eingesetzt. Noch hat die Finanzkrise nicht meinen Lebensunterhalt gefährdet. Zwar wurde bei einer Firma aufgrund der wirtschaftlichen Lage das Projekt gestoppt, an dem ich gearbeitet habe, aber ich habe im unmittelbaren Anschluss einen neuen Einsatz erhalten. Der Folgeeinsatz entsprach nicht meinen Vorstellungen, doch die Zeitarbeitsfirma riet mir dringend, diese Stelle anzunehmen, da wegen der Finanzkrise die Angebote nicht mehr so zahlreich seien, und man ja sonst eventuell nicht wüsste, wie es mit mir weitergehen solle... Ich nahm den Job an, der mir nicht schmeckte. Das war schon Druck, aber das war noch nicht böse. Klar gibt es im Moment weniger Angebote, aber ich hoffe, dass ich irgendwann eine Festanstellung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit finde, denn das habe ich studiert."