Ausgabe 01/2007-02
Flexibilität zählt
Von Heike Langenberg |Langsam scheint die Konjunktur ein wenig anzuziehen. Davon profitieren vor allem Teilzeit- und Minijobs sowie die Zeitarbeit. Gerade in dieser Branche ist der Druck auf die Löhne sehr stark
Als bei randstad Ost 2001 der Betriebsrat gewählt wurde, arbeiteten dort 5600 Beschäftigte. Heute sind es knapp 15000, sagt Beate Voigt, stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats. Ein Zeichen dafür, wie sehr Zeitarbeit boomt. Das zeigt sich auch in einer Nichteinsatzquote von nur ein bis drei Prozent.
Zeitarbeit ist etabliert, aber häufig noch nicht vernünftig geregelt Foto: freelens pool / Jürgen schwarz
Ein Boom, der sich auch in anderen Zahlen widerspiegelt. Im Jahresvergleich 2006 stellt die Bundesagentur für Arbeit einen hohen Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten vor allem bei den unternehmensnahen Dienstleistungen fest. 3,4 Millionen Menschen arbeiten hier, 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Den größten Anteil an dieser Steigerung hat die Zeitarbeit. Ihre Zahl stieg um 132000 Beschäftigte auf 512000. Ein Plus von 35 Prozent.
Die Betriebe wollen sich noch nicht fest binden
Für die Wissenschaftler am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist das ein Indiz für den Beginn eines Konjunkturaufschwungs: Es gehe aufwärts, aber die Betriebe wollten sich zunächst noch nicht binden. Stattdessen setzen sie auf flexible Formen der Beschäftigung. Auch die anderen Zahlen, die die Bundesagentur für Arbeit vorlegt, lassen auf flexible Formen schließen. Auch ein starker Zuwachs bei Teilzeit- (plus 3,8 Prozent) und Minijobs (+2,2) steht hinter den sinkenden Arbeitslosenzahlen.
Die Flexibilität für den Kunden bestätigt auch Beate Voigt: Der habe keinen administrativen Aufwand bei der Einstellung, könne flexibel auf Prodktionsschwankungen reagieren und bekomme zum Beispiel während des Urlaubs des Zeitarbeitnehmers Ersatz. Die Kehrseite: Zunehmend werde Stammpersonal abgebaut. Das hat auch Bernd Heller, Betriebsratsvorsitzender der Start Zeitarbeit NRW, festgestellt: "Die Firmen gehen dazu über, nur noch ihre Kernmannschaft mit Know-How zu versorgen." Einfachere Tätigkeiten werden gern eingekauft.
Gekauft im wahrsten Sinne des Wortes. Häufig sind es keine Personalabteilungen mehr, die mit den Zeitarbeitsfirmen verhandeln, sondern Einkäufer, die auf den Cent schauen. Arbeit wird zu einer Ware, die möglichst günstig eingekauft werden soll. Der Druck auf die Zeitarbeitsfirmen nimmt zu, immer günstiger zu werden, wenn sie keine Aufträge verlieren wollen.
Ein Tarifvertrag zwischen dem DGB und dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA), dem auch randstad angehört, sichert in der untersten Entgeltgruppe 7,38 Euro pro Stunde (West) zu. Ta-rifverträge, die Zeitarbeitsfirmen mit vermeintlich christlichen Gewerkschaften abschließen, gehen in Richtung von fünf Euro, rechnet Wolfgang Hartig vor. Er ist bei ver.di für Zeitarbeit zuständig. Summen, bei denen sich der BZA und sein Schwesterverband IGZ für einen Mindestlohn bzw. die Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aussprechen, um den Dumping-Wettbewerb zu beenden.
Zeitarbeit ist schon billig
Hinzu komme, dass dort, wo Betriebsräte fehlen - sowohl in der Zeitarbeit als auch bei den Auftraggebern - häufig zu niedrig eingruppiert werde, sagt Bernd Heller. "Zeitarbeit ist heute schon billig", sagt ver.di-Experte Hartig. Und betreffe immer mehr Branchen, auch solche, in denen man sie auf den ersten Blick gar nicht vermute, wie im öffentlichen Dienst. Wurden mit ihr vor einigen Jahren in erster Linie Engpässe abgedeckt, habe sie heute in einigen Branchen schon Anteile von bis zu 50 Prozent, so Hartig. "Zeitarbeit wird irgendwann nicht nur den Helferbereich bedienen. Die Zukunft ist der qualifizierte Bereich. Darauf bereiten sich die Firmen heute schon vor."
Ein Trend, den auch Bernd Heller bei Start Zeitarbeit NRW spürt. An Facharbeitern mangele es manchmal. Immer mehr der vorher Arbeitslosen werden von den Firmen, in denen sie eingesetzt werden, übernommen. 920 waren es 2006, und das, obwohl sich Start auf das Überlassen von schwer Vermittelbaren spezialisiert hat. "Zeitarbeit ist längst etabliert", sagt Heller. "Man muss sie nur endlich vernünftig regeln."