Ausgabe 01/2007-02
Versorgung sichern und Klima schützen
Vorgaben der Regierung und der EU-Kommission gefährden Arbeitsplätze und tarifliche Standards. Mit den Stadtwerken ist auch die Querfinanzierung öffentlicher Aufgaben gefährdet
Der Potsdamer Platz in Berlin war dicht. Rund 25000 Beschäftigte der Energiewirtschaft drängten sich am 7. Februar auf dem neuerbauten, traditionsreichen Platz in Berlins Mitte, um ihren Protest in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Demonstrantion galt dem Erhalt der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik. Dabei geht es nicht nur um Arbeitsplatzsicherheit und tarifliche Standards, sondern um den Bestand kommunaler Unternehmen, zukunftssichere Energieversorgung und - nicht zuletzt - um Klimaschutz.
Bedenklich schauen Beschäftigte der Energiebranche in ihre Zukunftfoto: kay herschelmann
Bewusst hatte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske dieses Thema an den Anfang seiner Rede gestellt, um klarzustellen: Der Protest richtet sich nicht gegen den Klimaschutz. Im Gegenteil: "Die Welt muss sich auf mehr Dürren und Hitzewellen, Überschwemmungen und Wirbelstürme gefasst machen. Die Meeresspiegel dürften um bis zu einem Meter steigen." Notwendig sei ein "neues Weltabkommen zur Reduzierung von Treibhausgasen".Globales und lokales Handeln für eine nachhaltige Energiewirtschaftmüssten ineinandergreifen.
Der ver.di-Vorsitzende forderte mehr Anreize für Energiesparprogramme, Kraft-Wärme-Koppelung und den Ausbau der Netze, damit mehr erneuerbare Energie eingespeist werden könne. Die von der Regierung vorgelegte "Anreizregulierung" jedoch liefere den Unternehmen nur einen Anreiz: "Kosten runter - koste es, was es wolle!" Die Vorgaben der Regulierungsbehörde zielten auf die Absenkung tariflicher Standards. Gegen diesen "Angriff auf die Tarifautonomie" auf Kosten der Beschäftigten kündigte Bsirske gewerkschaftlichen Widerstand an.
Eine große Gefahr sehen Bsirske und der Mannheimer Oberbürgermeister Gerhard Widder, Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen, in der EU-Forderung nach eigentumsrechtlicher Entflechtung von Energieerzeugung und Verteilnetzen. Schließlich gehe es nicht um "entschädigungslose Enteignung" zugunsten der öffentlichen Hände, so Bsirske, sondern um den Verkauf der Netze mit ihrem Wert von rund 270 Milliarden Euro. Nur international agierende Kapitalfonds mit ihren übersteigerten Renditevorgaben könnten derart gigantische Summen aufbringen.
Die Folge: Weniger Investitionen in die Versorgungssicherheit, forcierter Stellenabbau, stärkerer Druck auf Arbeits- und Entlohnungsbedingungen - dafür höhere Profite. Eine solche Entwicklung bedeute das Aus für zahlreiche Stadtwerke und damit auch der in vielen Regionen und Kommunen praktizierten "Querfinanzierung" von wichtigen kommunalen und sozialen Aufgaben wie Öffentlicher Nahverkehr, Sozialeinrichtungen, Schwimmbäder.
marke