Ausgabe 03/2007
Triste 3,30 Euro pro Stunde
Betroffenheit bei der SPD-Mindestlohnanhörung
Löhne wie bei Hartz IV, Überstunden ohne Bezahlung, Dumping-Konkurrenz aus Osteuropa: Gründe für die Einführung von Mindestlöhnen gibt es reichlich: Doch die Mitglieder der großen Koalition bremsen sich gegenseitig aus. Während Niedersachsens Ministerpräsident Wulff (CDU) jüngst den 1000. Kombi-Löhner würdigte, arbeiten Hunderttausende für einen Hungerlohn und kämpfen ums Überleben - ganz ohne Würdigung.
Ein Baustein der ver.di-Kampagne gegen Hungerlöhne
"Das Land sollte lieber den 700000. Niedriglöhner in Niedersachsen auszeichnen", schlägt ver.di-Landesleiter Wolfgang Denia vor. Es sei bewundernswert, dass Menschen für 3,30 Euro pro Stunde arbeiteten. Denia fordert Wulff auf, sich in Berlin für den Mindestlohn genauso engagiert einzusetzen wie für den Kombilohn. Die SPD-Landtagsfraktion in Hannover führte eine Anhörung zum Thema Mindestlohn durch. Fast alle Abgeordneten zeigten sich betroffen, als eine Pförtnerin, eine Hotelfachfrau und ein Call-Center-Mitarbeiter aus ihrem Alltag berichteten.
Der 47-Jährige Peter Smit aus Leer ist gelernter Maschinenschlosser und Rettungssanitäter, gejobbt hat er auch schon als Pizzabote, Taxifahrer und Hausmeister. Einmal hat der alleinerziehende Vater von zwei Söhnen auf einem Campingplatz für 531 Euro im Monat Toiletten gereinigt. Unfallversicherung und Risikolebensversicherung musste er kündigen. Eine Haftpflichtversicherung kann er nicht bezahlen. Zur Zeit arbeitet er täglich drei Stunden in einem Callcenter für 410 Euro brutto im Monat. "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel." Selbst bei der Tafel, wo Lebensmittel an Bedürftige verteilt werden, gebe es nichts umsonst, berichtet er. Kapitulieren will Smit jedoch nicht. "Ich kann und ich will arbeiten und nicht dem Staat auf der Tasche liegen.""
Die Vorstellungen vom Niedriglohnsektor sind korrekturbedürftig, heißt es in einer Studie der Böckler-Stiftung. Viele Kombilohn-Befürworter machten einen Mangel an Niedriglohnjobs für die hohe Arbeitslosigkeit unter gering Qualifizierten verantwortlich. Das sei eine Fehleinschätzung. Tatsächlich bestehe in Deutschland "ein bedeutsamer Niedriglohnsektor, der sich in den letzten Jahren permanent vergrößert hat, ohne dass sich die Beschäftigungschancen der Zielgruppe vergrößert hätten". Zudem entspreche die Vermutung, "wer wenig verdient, ist schlecht ausgebildet" nicht der Realität: Weit mehr als die Hälfte aller Niedriglohnbezieher hat eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss.