Arbeitgeber wollen die Hinterbliebenenversorgung einschränken. Was der Arbeitgeberverband als rein fürsorgerisch motiviert abtut, ist insbesondere für viele Frauen aber das einzige Alterseinkommen

Rund 38 Milliarden Euro gibt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) pro Jahr für die Hinterbliebenenabsicherung aus. Mit diesem Geld zahlt sie so genannte "Renten wegen Todes" an knapp sechs Millionen Hinterbliebene. Dieser Betrag macht knapp 20 Prozent der gesamten Leistungen der DRV aus. Rechnet man das auf den Beitragssatz von derzeit 19,9 Prozent um, entspricht das rund vier Prozentpunkten.

Kein Wunder, dass die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) diese ihrer Meinung nach "fürsorgerisch motivierte" Rentenart stark einschränken will. "Die Höhe des Ausgabevolumens zeigt, dass die Hinterbliebenenversorgung bei Reformmaßnahmen einer besonderen Überprüfung bedarf", heißt es in einem Positionspapier der BDA. Und Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte jüngst erneut "insbesondere eine durchgreifende Reform der Hinterbliebenenversorgung", um den Beitragssatz zur Rentenversicherung unter 20 Prozent zu halten.

"Wer in diesem Bereich über Leistungskürzungen nachdenkt, wird diese weit überwiegend zu Lasten von Frauen durchführen", hält Geritt Pötter dem in einem Zeitungsbeitrag entgegen. Er ist Mitarbeiter im Referat Rentenrecht der Abteilung Grundsatz der DRV Bund. Rund fünf Millionen Frauen beziehen Leistungen aus der Hinterbliebenenabsicherung. Liegen ihre monatlichen Leistungen bei durchschnittlich 549 (West) / 563 (Ost) Euro pro Monat, bekommen die knapp 470000 männlichen Bezieher 220/258 Euro. Die restlichen Bezieher sind Halb- bzw. Vollwaisen.

Die kleine und die große Witwen-/Witwerrente

Ausgezahlt werden die Hinterbliebenenrenten, wenn der Ehe- oder eingetragene Partner stirbt. Dabei unterscheidet man zwischen der großen und kleinen Witwen-/Witwerrente. Der Anspruch richtet sich nach dem eigenen Alter und dem der Kinder im eigenen Haushalt. Die große beträgt 55 Prozent der Anwartschaften des/der Verstorbenen, die kleine 20 Prozent.

Das eigene Einkommen über dem Freibetrag von zirka 700 Euro wird mit 40 Prozent angerechnet. Doch die meisten Frauen haben gar keins. Aus dem Alterssicherungsbericht der Bundesregierung für 2005 ergibt sich, dass das Geld für knapp ein Drittel von ihnen die einzige bzw. für einen großen Teil der Frauen die wichtigste Einkommensquelle im Alter ist.

"Eingriffe in die Hinterbliebenenversorgung werden zu mehr Altersarmut bei Frauen führen", sagt Judith Kerschbaumer. Sie leitet beim ver.di-Bundesvorstand den Bereich Sozialpolitik/ Gesundheitspolitik. In der Hinterbliebenenabsicherung sieht sie kein antiquiertes Instrument. Fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und steuerliche Bevorzugung der Einverdiener-Ehe wiesen Frauen immer noch eine traditionelle Rolle zu. Eine eigenständige Alterssicherung sei auch heute für viele Frauen praktisch noch nicht möglich.

Unabhängig von der Ehe

"Reformoptionen für die Rentenversicherung sehen wir daher vor allen in einer Umschichtung im System, die eine stärkere rentenrechtliche Anerkennung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, also von Erziehungs- und Pflegeleistungen - unabhängig vom Bestehen einer Ehe -, ermöglicht", sagt Kerschbaumer. Außerdem müssten die Rahmenbedingungen für Frauen- erwerbstätigkeit verbessert werden.

Bei einer Konferenz zum Thema Alterssicherung für Frauen (siehe Kasten) will ver.di über eine eigenständige Position zur Hinterbliebenenversorgung diskutieren. Nach der Rente mit 67 werde im zuständigen Ministerium bereits die nächste Strukturreform angedacht. Kerschbaumer geht davon aus, dass eine solche Reform nicht mehr vor der nächsten Bundestagswahl umgesetzt werde. Dennoch will ver.di rechtzeitig Position beziehen.

Konferenz in Berlin

3. Alterssicherungskonferenz für Frauen: Montag, 16. Juli, 10 bis 17 Uhr, ver.di-Bundesverwaltung, Berlin. Veranstalter sind die Bereiche Sozialpolitik/Gesundheitspolitik sowie Frauen und Gleichstellung. Schwerpunkt- themen: Hinterbliebenenversorgung, Sozialpolitik für Frauen.

Anmeldung und weitere Informationen: ver.di-Bundesvorstand, Bereich Sozialpolitik, Josefine Geier, E-Mail josefine.geier@verdi.de, www.verdi.de/sozialpolitik