Ausgabe 06/2007
Kopfloses Sparen
Der Koalitionsausschuss will den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung senken. Doch die unsinnigen Vorgaben an die Bundesagentur belässt er
Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen Anfang kommenden Jahres gesenkt und die zur Pflegeversicherung Mitte 2008 erhöht werden. Das hat der Koalitionsausschuss Mitte Juni beschlossen. Damit ändert sich für Arbeitgeber und -nehmer finanziell zwar kaum etwas. Doch die Entscheidung zementiert falsche Strukturen.
Sparen an der aktiven Arbeitsmarktpolitik
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat in letzter Zeit viel Geld auf die hohe Kante gelegt. Ende 2006 waren es bereits 11,2 Milliarden - und vieles spricht dafür, dass die Rücklage bis Ende 2007 auf 15 Milliarden Euro angewachsen sein wird. Ein Grund sind die erfreulich sinkenden Arbeitslosenzahlen. Zum anderen spart die BA aber auch weiter massiv bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik, zu der neben Vermittlung auch Weiterbildung und Wiedereinstiegshilfen gehören.
In ihrem Haushaltsentwurf hatte sie in diesem Jahr 10,97 Milliarden Euro dafür vorgesehen; rechnet man das erste Halbjahr hoch, so wird die BA aber tatsächlich zwei Milliarden weniger für diesen Posten ausgeben. Die BA teilt die Arbeitslosen in so genannte Markt-, Beratungs- und Betreuungskunden ein.
Erstere werden sich selbst helfen, so das Kalkül der BA. Letztere gelten aufgrund von Merkmalen wie älter als 50, allein erziehend oder krank als schwer vermittelbar und haben keine Chance, echte Unterstützung von der BA zu bekommen. Nur "Beratungskunden" dürfen überhaupt auf eine Weiterbildung hoffen.
Damit folgt die BA politischen Vorgaben: Sie soll vor allem betriebswirtschaftlich handeln. Zugleich ist sie verpflichtet, für jeden "Kunden", den sie nicht innerhalb der Arbeitslosengeld I-Frist vermittelt hat, 10000 Euro Strafe an die Staatskasse überweisen. Im Klartext: Jeder Cent, den die BA in einen Arbeitslosen investiert, lohnt sich für sie nur dann, wenn er die Zahlung dieses Aussteuerungsbetrags verhindert. Ansonsten muss die BA den Bildungskurs finanzieren und zusätzlich 10000 Euro, sobald der "Kunde" zum Hartz IV-Empfänger wird.
Längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen, die für Arbeitslose nachweislich die größte Chance auf einen dauerhaften Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt bedeuten, rechnen sich für die BA also fast nie: Der "Kunde" verschwindet kurz nach oder womöglich sogar noch vor Kursende aus ihrer Zuständigkeit - und sie hat nichts als die Kosten.
Nichts tun ist für die BA finanziell am günstigsten
Offiziell hatte die Politik vor ein paar Jahren schnelle und passgenaue Unterstützung für jeden Arbeitslosen versprochen. Real verhindert sie genau das. Für die BA ist es in den meisten Fällen finanziell am günstigsten, wenn sie gar nichts tut und das Geld spart statt es zu investieren. Die Schlussfolgerung kann nur lauten: Die BA muss ihre Ausgaben für Weiterbildung von den 10000 Euro Aussteuerungsbetrag abziehen dürfen. Nur dann ist sie gewillt, die vorhandenen Mittel im Sinne der Arbeitslosen produktiv einzusetzen. Doch der Bundesregierung fällt zum Thema "Reform" der Arbeitslosenversicherung nichts anderes ein, als den Finanzzufluss zu drosseln.ANNETTE JENSEN