Vorhang auf

Die "Initiative Öffentliche Dienste" startet die zweite Phase ihrer Imagekampagne

Die vier Neuen sind da: eine Studentin vor überfülltem Hörsaal, ein Antragsteller neben allzu langer Warteschlange im Amt, ein Mädchen auf dem Arm der Mutter draußen vor dem Kindergarten und zwei Theaterfreunde vor leeren Rängen.

Auf bundesweit 4395 Plakatwänden kleben diese Motive vom 13. bis zum 22. November. Die von ver.di und dem Deutschen Beamtenbund gegründete "Initiative Öffentliche Dienste" läutet damit die zweite Phase ihrer Imagekampagne ein - wieder unter dem Motto "Genug Gespart! Öffentliche Dienste sind Mehrwert".

Wie schon die ersten, am 31. August gehängten Großplakate über die Situation in Krankenpflege, Jugendarbeit, öffentlichen Bädern und Bahnverkehr zeigen auch die neuen, was Kaputtsparen heißt: In den letzten Jahren wurden 50000 Stellen in den Ämtern gestrichen. Lange Wartezeiten bei Anträgen und Behördengängen nerven. Mehr als 20000 Stellen weniger an den Hochschulen. Bei gleichzeitig 150000 Studierenden mehr wird Bildung zur Massenabfertigung. Die Theater haben 10000 Stellen weniger, das sind 20 Prozent der Beschäftigten. Folge: Für die Kultur fällt der Vorhang. Die Gebühren für Kitaplätze wurden um 35 Prozent erhöht. Jetzt sind sie zu teuer, erst recht für Alleinerziehende und Geringverdiener.

Als Anzeigen präsentieren die vier Motive sich in den zwischen 29. November und 5. Dezember erscheinenden Ausgaben von Stern, Spiegel, Focus und Brigitte.

Am 19. Oktober wurden 800000 Postkarten verteilt, die zwei Wochen lang kostenlos in den Kartenständern von 6230 Kneipen und Cafés in mehr als 90 deutschen Städten steckten. Einige sind vielleicht noch da. Wie die Plakate rufen auch die Karten zur Protest-SMS auf, zu senden an die Nummer 72626 mit dem Text: Genug gespart, Vorname, Nachname, Wohnort.

Einmalige Leistungsschau

Alle Unterschriften werden im Internet auf der Kampagnenseite www.genuggespart.de veröffentlicht. Dort informiert auch eine bisher einmalige Leistungsschau über rund hundert Bereiche der öffentlichen Dienste. Interessierte sind eingeladen, auf der Website ihre Meinung zu sagen, zu diskutieren und gegen Missstände zu protestieren.

Petra, Krankenschwester, schreibt dort: "Es wird nur noch gehetzt, gerannt und Tätigkeiten können nicht richtig zu Ende geführt werden. Patienten sind oft mit Recht unzufrieden. Immer bekommen sie zu hören: Ich komme gleich!" Das sei wohl der am meisten gesprochene Satz in der Pflege. "Aber wie kann ich das sagen, wenn ich genau weiß, dass Frau Meier auf ihren Verbandswechsel wartet, Herr Müller ins Bad möchte, Frau Schmidt ihre Stützstrümpfe anhaben möchte, Frau Wagner zur Untersuchung gefahren werden muss und der OP schon zweimal angerufen hat?" Petra fragt sich: "Wann endlich verstehen die Politik und die Direktionen in unseren Krankenhäusern, was da abgeht?"

Zum Thema Jugendarbeit benennt Peter Schall auf der Website die Folgen falscher Sparsamkeit: Viele Jugendzentren seien schon geschlossen oder hätten Öffnungszeiten und Betreuungsangebot eingeschränkt. "Damit bleiben Problemjugendliche aus Problemfamilien allein, gleiten oft in die Kriminalität ab oder sind potentielle Opfer für die rechten Bauernfänger, die in manchen Gegenden ‚Jugendbetreuung‘ in ihrem Sinn anbieten."

Mit dem regionalen Angebot der Bahn ist St. Reichel nicht mehr zufrieden: "Bahnhöfe verfallen, der freundliche Herr vom Vorverkauf sitzt nicht mehr hinter Glas, es ist eine Computerstimme aus dem Automa- ten, der einen nicht mehr versteht." Viele Bahnhöfe seien "nachts finsterste Ecken, deren Fenster längst Brettern und Spanplatten gewichen sind, die Wartehallen sind eiskalt und ungeheizt, wenn nicht verschlossen und baufällig. Personal fehlt völlig, und der Fahrgast ist zu einer Zahl einer Statistik verkommen."

Daniel schließlich findet die Initiative, "die sich gegen den Ausverkauf des Gemeineigentums einsetzt, sehr gut. Auch die Plakate sind sehr gelungen." Mal sehen, was die neuen erreichen.

www.genuggespart.de