Chefredakteur der Berliner Zeitung sitzt auf allen Chefsesseln

Seit 1. August ist Josef Depenbrock nicht nur Chefredakteur der Berliner Zeitung, sondern auch Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Zeitungsholding und Geschäftsführer des Berliner Verlags. So viel Arbeitseifer stößt bei seiner Redaktion auf wenig Gegenliebe.

Erst ein knappes Jahr vorher hatten die Redakteure ein Redaktionsstatut durchgesetzt. Darin wurde neben der redaktionellen Unabhängigkeit festgeschrieben, dass ein Redaktionsausschuss gebildet wird, der die Journalist/innen gegenüber der Chefredaktion und der Verlagsleitung vertritt. "Die gesamte Redaktion ist der Auffassung, dass die Doppelfunktion nicht in Einklang mit dem Redaktionsstatut steht", erklärt Ewald B. Schulte, Vorsitzender des Redaktionsausschusses. In Kürze werde eine Redaktionsvollversammlung das weitere Vorgehen beraten, eine Feststellungsklage im Schulterschluss mit den Gewerkschaften sei denkbar.

Aufhorchen lässt eine Äußerung von David Montgomery, Eigentümer der Mecom-Gruppe, zu der die Berliner Zeitung, der Berliner Kurier, die Hamburger Morgenpost und Dutzende von Blättern in der Ukraine, den Niederlanden und Skandinavien gehören.

Hauptsache Anzeigen

Montgomery soll bei einer Konferenz in London gesagt haben: "Wir werden das Anzeigengeschäft näher an den Newsroom rücken." Das kann bedeuten, dass die Artikel den Anzeigenverkauf fördern und nicht durch kritische Berichte stören sollen. Im Redaktionsstatut der Berliner Zeitung ist eine strikte Trennung von Anzeigen und Redaktion festgeschrieben. "Bisher hat Herrn Depenbrock in dieser Richtung keinerlei Einfluss auf die Redaktion genommen", versichert Ewald B. Schulte. Allerdings würden Verlagsbeilagen nicht mehr unbedingt als solche gekennzeichnet. Er könne sich außerdem vorstellen, dass die Adresskartei der Abonnenten verstärkt für kommerzielle Angebote außerhalb des Zeitungsgeschäfts verwendet werden soll.SIL