BERNHARD SCHMID ist Jurist und freier Journalist in Paris

Es ist bemerkenswert, dass die Eisenbahner in zwei Kernländern der EU im November wochenlang parallel im Streik standen. Sie hatten ihre Anstrengungen nicht miteinander koordiniert, und auch der Gegenstand des jeweiligen Arbeitskampfs war ein anderer. Ging es in Deutschland um die Löhne der Lokführer und um einen eigenständigen Tarifvertrag für ihre Berufsgruppengewerkschaft GDL - den sie nun im Prinzip auch erreicht hat -, so drehte sich die Auseinandersetzung in Frankreich um die Renten der Eisenbahner sowie der Beschäftigten in einigen anderen öffentlichen Unternehmen. Die konservative Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy möchte die Lebensarbeitszeit nun auch für sie verlängern, auf mindestens 40 Jahre Beitrag zur Rentenkasse.

Im Vergleich ist der deutsche Konflikt nur schwer auf Frankreich übertragbar, da dort seit Jahrzehnten in jeder Branche mehrere miteinander wetteiferende Gewerkschaften existieren, von denen eine jede tariffähig ist. Bestehen miteinander konkurrierende Regelungen, so finden in der Regel die aus Sicht der Beschäftigten besten Anwendung.

Neu in dieser Auseinandersetzung war, dass es in Frankreich zu einer breiten Einheit zwischen den verschiedenen Gewerkschaften kam. Beim jüngsten Streik zogen etwa bei den Eisenbahnern sechs von acht Gewerkschaften die längste Zeit über an einem Strang. Es war die Gewerkschaft der Lokführer, die als Erste schon früh aus der Streikfront ausscherte und nicht am Ausstand teilnahm, weil ihrer Klientel durch die Regierung gesonderte Zugeständnisse gemacht worden waren.

In Frankreich läuft nun alles auf einen Kompromiss hinaus, dessen Auswirkungen vor allem die heute jüngeren Beschäftigten bei den Renten schmerzhaft spüren dürften. Auch 1995 waren es die Jüngeren, die den Generalstreik lostraten, der die damalige Regierung unter Premier Juppé zwang, ihre Renten- reform zurückzunehmen. Das könnte auch noch Sarkozy in den Élysée-Palast stehen.