Rambo war gestern

Sicherheit gibt’s nicht umsonst. Zumal die Anforderungen an Sicherheits- und Wachdienste immer mehr steigen

Elke Hagemann (l.) und Birga Hanitzsch von der Firma Securitas im Grassi-Museum

Elke Hagemann, die seit zwei Jahren als Wachschutz-Beschäftigte im Grassi-Museum in Leipzig Eintrittskarten ausgibt, dachte, sie höre nicht richtig. Zwei Euro Eintritt waren der aggressiven Besucherin, die vor ihr stand, zu viel, sie wollte kostenlos in die Ausstellungsräume. Doch Elke Hagemann blieb freundlich: "Es ist mein Beruf, höflich zu sein." Für solche Zwischenfälle hat sie eine Ausbildung.

Auch ihre Vorgesetzte, Heidi Richter, investierte in den eigenen Werdegang: Lehrbücher und die Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer zur Werkschutz-Fachkraft kosteten über 600 Euro. "Zum Glück gab mir die Firma ein Darlehen", sagt Heidi Richter. Mit 5,10 Euro pro Stunde plus Zuschlägen ist ihre Bezahlung zwar tarifgemäß, aber es zählen auch viele Service-Leistungen zu ihren Aufgaben. Der Umgang mit Menschen, aber auch mit komplizierter Technik gehört mittlerweile für die im Werkschutz Tätigen zum Alltag. Doch ihre Bezahlung ist besonders im Osten von ordentlichen Tarifen weit entfernt.

Wenn Besucher kein Deutsch verstehen, ihr Audio-Gerät misshandeln, den Rundgang suchen oder Fragen zur Kunstgeschichte haben, ist Heidi Richter zur Stelle. Sie ist stolz, auf Museumsdienste spezialisiert zu sein: "An manchen Tagen habe ich mit 500 Leuten zu tun." Aber sie schiebt auch Wachdienst: Zwölf Stunden hintereinander sorgt sie dann für Sicherheit bei den Exponaten. Solche Mammutschichten sind im Gewerbe üblich. Hauptgrund: das geringe Entgelt. Viele schuften 250 Stunden im Monat, andere nehmen trotz des Jobs staatliche Hilfen in Anspruch. Corinna Hersel vom ver.di-Fachbereich Besondere Dienstleistungen in Erfurt stellt fest: "In der Bewachung hat sich bei der Bezahlung seit Jahren wenig getan."

Nur die Anforderungen steigen. Kein schlichtes Pförtnerdasein mehr, vielmehr müssen komplizierte Schließanlagen bedient, computerisierte Feuermelder und Monitore überwacht werden. Service- und Telefondienst, Fahrzeugkontrollen und Personenbeobachtung sind zu erledigen. Wird es brenzlig, ist Teamgeist wichtig - und die Zusammenarbeit mit der Polizei. Etwa für den 26-jährigen Andy von Domarus, der Jungen beim Graffiti-Sprayen erwischte, während er Büros bewachte. Kontrolleure in S-Bahnen lassen sich oft versetzen, weil sie die Aggression von Betrunkenen und Schwarzfahrern nicht länger ertragen.

Henry Koschalla auf Wachgang

"Mein Traum war, zur Polizei zu gehen", sagt Sabrina Fischer, 30. "Aber ich bin mit einer Größe von 1,58 zwei Zentimeter zu klein für den Staatsdienst. Da lag der Sicherheitsdienst nahe." Von den Privilegien einer Beamtin kann Fischer jedoch nur träumen. Denn in der Branche gibt es alle paar Jahre Neuausschreibungen. Nicht selten unterlaufen Firmen dann den Wettbewerb, indem sie landesweit geltende Tarife missachten. Vor allem im Osten drohen Katastrophen.

Deutschland, die traurige Ausnahme

"Manche zahlen nur 3,80 Euro pro Stunde", sagt Hardi Tennhardt, Leipziger Prokurist des Wachdienst-Konzerns Securitas, mit 14000 Angestellten einer der großen. Tennhardt lobt seine Firma, denn sie zahlt nach Tarif: "Andere tun das nicht. Was wir brauchen, sind wirksamere Kontrollen." Die fordert auch Securitas-Arbeitsdirektor Waldemar Marks. Er befürwortet einen Mindestlohn von 7,50 Euro: "Die Industrie sollte mal überlegen, was ihr qualifiziertes Personal wert ist."

Tatsächlich ist Deutschland in Europa eine traurige Ausnahme. Frankreichs Wachleute haben Mindestsätze von 8,50 Euro, in Schweden sind 14 bis 15 Euro die Regel. "Sicherheit muss kosten dürfen", findet auch Marks. Vom Image der Rambos in Springerstiefeln ist man längst weg. ver.di unterstützt das neue Selbstwertgefühl. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sorgt Mitgliedergewinnung durch Organizing für gute Erfahrungen. Corinna Hersel: "Wir reden mit den Kollegen, gehen in die Objekte, lernen ihre Probleme kennen und hören nicht selten: Endlich kreuzt mal jemand auf!" Netzwerke bilden sich. Das hilft, auch gegen Anonymität im Betrieb. Hersel ist entschlossen: "Wir wollen keine Armutslöhne mehr." Ein Mindestlohn für die Branche wird diskutiert. "Aber auf Bundesebene führen wir erst Gespräche mit dem Arbeitgeberverband, ob wir überhaupt über Mindestlohn verhandeln werden", erklärt Rolf Lemm aus der ver.di-Bundesverwaltung.