Seit Monaten streiken Verkäufer/innen überall in der Republik für höhere Löhne und den Erhalt der Zuschläge für Spät- und Wochenendarbeit. Wie geht es jetzt weiter?

Erika Ritter leitet den ver.di- Landesfachbereich Einzelhandel Berlin-Brandenburg

ver.di PUBLIK | Die Streiks im Einzelhandel wurden in Berlin Mitte Dezember beendet. Viele Kolleginnen wollten ihn sogar länger fortsetzen. Wie geht es weiter?

Erika Ritter | Wir hatten bundesweit die stärkste Streikbewegung im Einzelhandel, die es bisher gab. Die wird auch bundesweit fortgesetzt. In Baden-Württemberg haben die Kolleginnen schon im Januar wieder begonnen. Ein Höhepunkt war die Aktion vieler H&M-Kolleg/innen vor der Hamburger Zentrale des Unternehmens am 24. Januar, ein zweiter die Menschenkette mit 1000 Streikenden am 2. Februar in Stuttgart. Weitere Aktionen gab es bereits in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. In Berlin und Brandenburg wird ab Mitte Februar wieder gestreikt - diesmal kurzfristig und überraschender, damit die Unternehmen nicht so leicht auf Leiharbeitskräfte ausweichen können. Wir werden die Kaufhäuser stärker einbeziehen und die Kundinnen besser informieren, damit sie die Aktionen auf ihre Weise unterstützen können.

ver.di PUBLIK | Was haben die Streiks bisher gebracht?

Ritter | Mehr Mitglieder. In Berlin sind es 288 mehr als im Vorjahr. Mehr Selbstbewusstsein. Die Stimmung ist gut. Die Kollegen sagen: Wir haben die Zuschläge für Spät- und Wochenendarbeit vor Jahren erkämpft; wir haben keinen Grund, jetzt darauf zu verzichten. Deshalb streiken wir weiter. Bei den Metallern kommt doch auch keiner auf die Idee zu sagen, Zuschläge seien altmodisch und müssten abgeschafft werden. Wer Arbeitskräfte zu bestimmten Zeiten haben will, muss dafür mehr bezahlen. Weitere Streiks sind nötig. Die Kollegen wissen auch: Wenn sie nicht rausgehen auf die Straße, sinken die Chancen für den Flächentarifvertrag im Einzelhandel.

ver.di PUBLIK | Ergebnis der bisherigen Streiks sind auch Angebote einzelner Unternehmen?

Ritter | Ja, von einigen Unternehmen kamen einseitige Zusagen, mehr zu bezahlen. Das sind zum Beispiel Ikea, Kaufland, Netto, Globus und Edeka Hessenring. Außerdem haben einige Unternehmen im Dezember Einmalbeträge zwischen 200 und 250 Euro gezahlt. Rewe hat als erster großer Arbeitgeber im Einzelhandel dem Druck der Beschäftigten nachgegeben und uns das bisher beste Angebot gemacht. Die Streiks in den Rewe-Lagern und -Filialen während des Weihnachtsgeschäfts haben dem Konzern wohl Furcht eingeflößt. Das Angebot für die Beschäftigten der Rewe-Gruppe sah dann so aus: drei Prozent mehr Lohn ab 2008 und eine Einmalzahlung von jeweils 50 Euro pro Monat im Jahr 2007. Die Zuschläge für die Spät- und Nachtarbeit bleiben erhalten. Der Pferdefuß dabei: Die Samstagszuschläge vor 18 Uhr 30 sollen wegfallen. Außerdem sind drei Prozent für eine zweijährige Laufzeit des Vertrags zu wenig. Darüber wird noch zu verhandeln sein.

Interview: Claudia von Zglinicki