Ausbeutung über den Wolken

Viel Leiharbeit und skandalöse Arbeitsbedingungen von Flugbegleiterinnen rechnen sich

Von Eckhard Stengel

Bei Ryanair putzen die Stewardessen unentgeltlich

"Es klang alles so wunderbar", erzählt die Frau, deren Name auf keinen Fall bekannt werden darf. Ryanair hatte im Internet Flugbegleiter gesucht. Von 1400 Euro netto war die Rede, von Spaß und echter Arbeitszufriedenheit. Sie ließ sich darauf ein - und kündigte nach einigen Monaten entnervt. Für ver.di PUBLIK erzählt sie jetzt von ihren Erfahrungen mit Europas größter Billigfluglinie.

Wie alle angehenden Ryanair-Flugbegleiterinnen war auch sie zunächst bei einem Personaldienstleister angestellt - mit der vagen Aussicht, von Ryan- air übernommen zu werden. Ausge-bildet wurde sie von der irischen Firma Dalmac, um dann von der Leiharbeitsgesellschaft Workforce bei Ryanair eingesetzt zu werden.

Für die Ausbildung, keine anderthalb Monate, zahlte sie 3000 Euro, einschließlich der Übernachtung in Familien. Teilnehmer ohne genügend Geld seien bedrängt worden, 3000 Euro Kredit zu fast zwölf Prozent Zinsen bei der Bank of Ireland aufzunehmen. "Wir durften den Vertrag nicht in Ruhe durchlesen und haben nicht mal eine Kopie erhalten." Zwei Informanten erzählten der Bremer ver.di-Sekretärin Nina Lepper, ihnen sei gesagt worden: "Wenn Ihr nicht unterschreibt, könnt Ihr gleich gehen."

Noch miserabler sind die Arbeitsbedingungen nach der Ausbildung. ver.di PUBLIK liegen Arbeitsverträge von Workforce und einem anderen wichtigen Ryanair-Personaldienstleister namens Crewlink vor. Demnach dauert die Probezeit für die Drei-Jahres-Verträge bis zu zwölf Monate. Bezahlt wird nur pro Flug: 12,15 Euro je "planmäßiger Blockstunde", also pro Stunde der regulären Flugzeit. Verspätungen bleiben demnach unbezahlt, Vor- und Nachbereitung sind im Flugstundenlohn angeblich mit eingerechnet. Faktisch heißt das, dass die Flugbegleiterinnen beim halbstündigen "Turn-around" am Zielflughafen unbezahlt die Kabine einschließlich der Toiletten putzen müssen. Auch manche andere Airline entlohnt nach Flugzeit - aber laut Lepper mit höherem Stundenlohn und ohne Verpflichtung, das komplette Flugzeug zu putzen.

Hungerlohn als Ergebnis

Ebenfalls ohne Entlohnung müssen sich die Flugbegleiterinnen mehrmals im Monat zuhause einsatzbereit halten und bei Anruf in einer Stunde am Airport sein. Rechnet man den Fluglohn auf die reale Arbeitszeit um, "dann kommt man auf einen Hungerlohn", meint Lepper.

Wie oft das Personal fliegt, hängt allein vom Bedarf ab. "Wer nur begrenzt eingesetzt wird, verdient vielleicht 500 bis 600 Euro im Monat."

Wie unsere Informantin erzählt, war sie am Anfang ihrer Leiharbeit für Ryan- air fast täglich im bezahlten Einsatz. Dann sei sie krank geworden. Lohnfortzahlung? Nicht vorgesehen. Stattdessen seien ihre Dienste drastisch gekürzt worden. "Das ist die Strafe dafür, dass Du krank geworden bist", meinten Kollegen. "Es gab Piloten, die völlig übermüdet flogen, weil sie aus Angst vor Kündigung keine Ablösung anforderten", berichtet die Informantin.

Bezahlter Urlaub beschränkt sich auf 20 Tage im Jahr. Streiken oder Dienst nach Vorschrift ist nicht erlaubt - dann endet der Arbeitsvertrag. Keine Rechte, aber viele Pflichten: Workforce- und Crewlink-Flugbegleiterinnen sollen sich fit halten, müssen jederzeit mit Leibesvisitationen rechnen und sich auch ohne Krankheit medizinisch untersuchen lassen, wobei die Ergebnisse Firmeneigentum werden. Lepper: "Ärztliche Schweigepflicht scheinen die nicht zu kennen."

"Diese Arbeitsbedingungen sind eine Katastrophe", findet die ver.di- Sekretärin. Sie gelten immerhin für die Hälfte bis drei Viertel aller Flugbegleiter in Ryanair-Maschinen, denn so groß dürfte der Anteil des Leihpersonals an Bord sein.

Irisches Arbeitsrecht

"Das Problem ist, dass in Irland andere Arbeitnehmerrechte gelten als in Deutschland, zum Beispiel gibt es keine Lohnfortzahlung bei Krankheit", sagt Lepper. ver.di prüft zurzeit, ob diese Regeln auch für Personal in Deutschland anwendbar sind, denn "hier gibt es Grundprinzipien des Arbeitsrechts, auf die man nicht verzichten kann."

Und was sagt Ryanair zu den Vorwürfen? Auf eine detaillierte Anfrage von ver.di PUBLIK reagierte die Zentrale unwirsch: Sie antworte nicht auf "dumme Fragen, die klar auf Lügen und Fehlinformationen basieren." Nur so viel: Ryanair zahle besser als jede andere große Fluggesellschaft Europas. Das liegt aber wohl nur an hohen Pilotengehältern und besagt nichts über die zahllosen Leiharbeiterinnen.

ver.di kann den Betroffenen nur helfen, wenn sie sich trauen, gegen ihren Arbeitgeber zu klagen. Allen Reisenden rät Lepper, sich "gut zu überlegen, ob sie tatsächlich mit Ryanair fliegen wollen".

Allen Reisenden wird geraten, sich "gut zu überlegen, ob sie tatsächlich mit Ryanair fliegen wollen"