Der Chefredakteur der Berliner Zeitung hat das Vertrauen der Beschäftigten verloren

"Wer gegen mich ist, wird mich noch kennen lernen", soll Josef Depenbrock, Chefredakteur der Berliner Zeitung und Vorsitzender der Geschäftsführung der BV Deutsche Zeitungsholding, auf einer Betriebsversammlung der Berliner Zeitung Ende Februar gedroht haben. Und gegen ihn sind inzwischen viele: Der Redaktionsausschuss will ihn, unterstützt von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di, verklagen, Führungskräfte und gestandene Redakteure verlassen das Haus, der Betriebsrat befürchtet ein Ausbluten der Belegschaft und den finanziellen Kollaps, die Redaktion forderte ihn zum Rücktritt auf.

Die Beschäftigten hatten sich mit öffentlichen Protesten im Jahr 2006 gegen den Verkauf ihres Verlages an Finanzinvestoren gewehrt. Den Verkauf konnten sie nicht verhindern, aber es wurde ein Redaktionsstatut verabschiedet, das die publizistische Unabhängigkeit der Berliner Zeitung sichern sollte. Außerdem wählte die Redaktion einen dreiköpfigen Redaktionsausschuss, der die Interessen der Redaktion gegenüber der Geschäftsleitung und dem Chefredakteur vertreten soll.

Dieser Redaktionsausschuss kündigte jetzt an, gegen die Doppelfunktion von Josef Depenbrock, der sowohl Chefredakteur als auch Geschäftsführer ist, zu klagen. Dies widerspricht nach ihrer Ansicht dem Redaktionsstatut. Mitte Februar musste das dreiköpfige Gremium vorzeitig neu gewählt werden, da der bisherige Sprecher Ewald B. Schulte bei der Berliner Zeitung gekündigt hat.

Er steht nicht allein mit seiner Entscheidung: 19 Redakteure haben das Blatt verlassen, seit David Montgomery mit seiner Mecom-Group den Verlag 2006 kaufte. Die Redakteure wollten dem weiteren Ausbluten nicht tatenlos zusehen. Sie schrieben einen offenen Brief und forderten Depenbrock zum Rücktritt auf. Als Chefredakteur vertrete er nicht die Belange der Redaktion im Haus. Das Resümee der Redaktion: "Herr Depenbrock, wir haben das Vertrauen in Sie verloren. Treten Sie zurück." Dazu könne ihn derzeit nur David Montgomery mit Erfolg auffordern, machte Depenbrock auf der Betriebsversammlung deutlich.

Steigender Gewinn

Der Nord-Ire hat wenig Grund, seinen Berliner Platzhalter zu feuern. Für das Jahr 2007 wird ein steigender Gewinn erwartet, auch wenn die Zahlen noch nicht vorliegen. Der Jahresabschluss 2006 weist einen Gewinn von 7,9 Millionen Euro aus, der komplett an die Gesellschafterin abgeführt wurde. Gleichzeitig erhöhten sich die Kredite von 95 Millionen Euro auf 104 Millionen gegenüber dem Vorjahr. Dramatisch sank die Eigenkapitalquote: Sie fiel von 16 Prozent im Jahr 2005 auf nur noch 1,5 Prozent im Jahr 2006. Bei der Betriebsversammlung wollte die Betriebsratsvorsitzende Renate Gensch wissen: "Wo ist unser Geld?" Ihre Frage blieb unbeantwortet.Sil